Prinz für die Köchin
dieser Macho-Flippernummern so ungemein, nun ja, irritierend fand.
Nur einer im La Sirène war unerschrocken genug, ein Gespräch mit Dimitri anknüpfen zu wollen: Cheyenne, ein DJ aus dem Ort, der vor seinen Gigs in Saint-Jean und Umgebung gern hier hereinschaute. Cheyenne – dessen richtiger Name sehr viel prosaischer Stéphane lautete – war Mitte dreißig, mit schulterlangem schmuddelblondem Haar, blauen Augen mit Knitterfältchen und einer allgemeinen, sonnengeküssten Ausstrahlung von sorgloser joie de vivre. Normalerweise trug er übergroße Surferklamotten, bunte T-Shirts und abgeschnittene Jeans, kombiniert mit den neuesten Sportschuhen. Sein Markenzeichen war das Tuch mit dem Federbüschel, das er wie ein Indianer um den Kopf trug.
Cheyenne, hatte Bastien Imogen erklärt, war ein unverbesserlicher Frauenheld oder dragueur . Er versuchte es bei jedem hübschen Mädchen, das ihm begegnete, und war – wie ein Arzt – quasi immer im Dienst. Imogen hatte festgestellt, dass er etwas von Dr. Jekyll/Mr. Hyde hatte: Wenn er mit einem Mann sprach, war er ganz der Superstar- DJ , vollführte coole Handshakes und redete ausführlich über Gigs und Remixes. Sah er sich jedoch einer Frau gegenüber, so senkte er die Stimme zu einem leisen, liebkosenden Schnurren, während er sein nicht unbeträchtliches sonniges Charisma bis zum Anschlag hochfuhr. Dieses systematische Vorgehen zeigte recht gute Ergebnisse – der Lohn dafür, dass er nichts unversucht ließ, wie Bastien seine Schilderung mit widerwilliger Bewunderung abgeschlossen hatte.
Heute Abend kam Cheyenne nach einem kurzen Gespräch mit Dimitri an den Tisch, wo sich der Rest der Boustifaille-Mannschaft versammelt hatte. Zunächst ignorierte er sämtliche männliche Anwesende und sagte neckisch: »Ah, Miss France. Et Miss Angleterre«, wobei er Larissa und Imogen nacheinander tief in die Augen sah, ehe er sie auf beide Wangen küsste. Imogen nahm dies einigermaßen anstandslos hin, obwohl sie sich eigentlich noch nie mit Cheyenne unterhalten hatte. Aber – andere Länder, andere Sitten …
Als sein Haar ihr Gesicht streifte, vernahm sie das Knistern statischer Elektrizität, und zwar nicht zum ersten Mal: Die synthetischen Haarverlängerungen des DJ s konnten sich manchmal ganz schön aufladen.
»Hört mal her, Leute«, begann Cheyenne, nachdem er sich gesetzt hatte. »Nächste Woche haben wir eine Riesennummer im Koud’Soleil.« Er zog einen Packen grellbunter Flyer aus seiner gelben Schultertasche und machte sich daran, sie zu verteilen. »Meine Wenigkeit wird am Mischpult stehen. Das wird der totale Wahnsinn! Das wird voll abrocken!«
Imogen war schon ein paarmal am Koud’Soleil vorbeigekommen, einem mit Bambus und Grasmatten auf exotisch getrimmten Etablissement, war jedoch nie drin gewesen. Es sah nicht so aus, als wäre es ihr Ding. Doch da Cheyenne ihr genau gegenübersaß, betrachtete sie brav den knallorangefarbenen Flyer: Die Kleiderordnung für das angekündigte Event lautete »Tahiti Paradise« , für Damen war der Eintritt natürlich frei. Im Anschluss an DJ Cheyennes »megaheißen, supertropischen« Set würde außerdem eine Südsee-Show geboten werden. Hmmm. Das war ihr alles nicht ganz geheuer. Doch Monty und sie würden ohnehin schon längst in ihrer stinkenden Kemenate im Bett liegen, wenn das hier losging.
Als sie wieder aufblickte, begegneten ihre Augen denen von Dimitri, der sich wieder zu der Gruppe gesellt hatte und neben Cheyenne Platz nahm. Sie hielt seinem ernsten Blick einen Augenblick lang stand, dann schaute sie verlegen weg. Um sich irgendwie zu beschäftigen, studierte sie ihren Flyer noch einmal und sah, dass es auch ein tropisches Büffet gab.
»Ich wusste gar nicht, dass das Koud’Soleil ein Restaurant ist«, meinte sie, an Bastien gewandt.
»Ist es auch nicht«, erwiderte er. »Für solche Nummern lassen sie das Essen von einem Caterer anliefern.«
Catering, dachte Imogen, privates Catering. Sie furchte die Stirn, als eine Idee in ihrem Kopf Gestalt anzunehmen begann, zuerst zögernd und dann deutlicher. Sie wollte doch kochen, oder? Und im Augenblick bekam sie im Boustifaille keine Gelegenheit dazu. Zugegeben, ihr blieb nicht allzu viel freie Zeit, aber vielleicht ließ sich ja trotzdem etwas machen?
Also, dachte sie und richtete sich ein wenig auf, warum eigentlich nicht? Sie könnte mit Daphne darüber sprechen und sie um Rat bitten. Die pâtissière hatte eine zwar kleine, aber sehr anständig
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