Prinz für die Köchin
Chutney mit Vanilleduft, das servieren wir zum Entenbrustfilet. Ist auch ganz toll für Tempuras, du weißt schon, mit Garnelen. Vorsicht, Imogen – nicht so fest drücken. Das Ding ist reif. Iss sie doch einfach.«
Während sie in das weiche Fruchtfleisch biss und sich süß-sauren Saft vom Kinn wischte, sann Imogen darüber nach, dass sie Bastien zwar immer vage attraktiv gefunden hatte, dass er heute jedoch wirklich gut aussah. Vielleicht, weil er nicht so viel lächelte wie sonst, und weil ganz klar war, dass er Essen und Lebensmittel genauso leidenschaftlich liebte wie sie. Außerdem waren seine Augen von einem wunderschönen Blau, und es war schön, wenn er so wie jetzt in dem warmen Gewächshaus sehr dicht neben ihr stand. Ja, ja, aber er ist mein Kollege, sagte sie sich und atmete tief durch, und es ist wirklich unprofessionell, allzu sehr über sein gutes Aussehen nachzudenken. Das würde doch nur unser Arbeitsverhältnis beeinträchtigen.
Nachdem sie ihre Einkäufe erledigt hatten, machten sie sich zusammen daran, den Lieferwagen zu beladen, umringt von Scharen anderer emsiger Profiköche. Während Imogen Bastien den Rücken zukehrte und überlegte, wie viele Gemüsekisten sie wohl auf einmal hochheben konnte, hörte sie ihn plötzlich fauchen: »Oh, putain!«
Vielleicht als Reaktion auf die Tropenatmosphäre des Gewächshauses, ganz zu schweigen von ihrem jüngsten Gedankengang, reagierte Imogen mit ungewohnter Hitzköpfigkeit. Putain hieß »Hure«, das wusste sie. Meinte er tatsächlich sie? Was unterstand er sich? Und was in aller Welt hatte sie getan? Die Franzosen waren doch wirklich so was von ungehobelt! Von einer sengenden Zorneswoge mitgerissen fuhr sie herum, tippte Bastien auf die Schulter und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige, als er sich kurz zu ihr umdrehte.
Einen Moment lang starrte er sie mit großen Augen an und rieb sich heftig die Wange, dann lachte er laut los. »Wow! Wofür war das denn?«
Imogen richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und verschränkte die Arme. »Tut mir leid, aber so lasse ich nicht mit mir reden. Das geht gar nicht!«
Verständnislos kniff Bastien die Augen zusammen, dann hellte sich seine Miene auf. »Aber ich habe doch gar nicht dich gemeint! Ich habe geflucht, weil mir die Hummer runtergefallen sind – schau!«
Zu seinen Füßen lag eine umgekippte Kiste mit Krustentieren.
»Oh, entschuldige«, stammelte Imogen. »Ich dachte …«
»Weißt du, das ist bloß so ein Ausdruck«, erklärte Bastien freundlich. »Das sagt man so, wenn man sauer ist. Tut mir leid, wenn ich dich schockiert habe.«
»Oh, Bastien, dein Gesicht!« Reumütig betrachtete Imogen den dunkelroten Fleck, den ihre Ohrfeige hinterlassen hatte. Noch nie hatte sie jemanden geschlagen. Was war nur in sie gefahren? Die ungewohnte Hitze? Die verlockenden Lebensmittelauslagen? Das geschäftige Treiben auf dem Markt? Oder etwas anderes, etwas, das von Bastien selbst ausging? »Warte hier, ich hole Eis von dem Fischhändler.«
Als sie nebeneinander im Lieferwagen saßen, erlaubte er ihr, einen improvisierten Eisbeutel gegen seine Wange zu drücken, und lächelte sie damit mit einem gewissen Maß an Ironie an. Sie lächelte zurück und trank einen Schluck Wasser aus der Flasche, die er ihr hinhielt.
»Heute wird ein schöner Tag«, meinte er und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. »Die Sonne kommt raus.«
Imogen nickte, schielte von der Seite her auf seine bloße sonnengebräunte Schulter und dachte bei sich, dass es wirklich süß von ihm war, ihr ihren lächerlichen Wutausbruch nicht übel zu nehmen. Von dem Besuch im Gewächshaus war ihr noch immer ziemlich warm, und sie strich sich eine feuchte Haarsträhne hinters Ohr. Bastien sah ihr dabei zu, dann wandte er seine Aufmerksamkeit der kleinen Frucht zu, die er gerade mit einem scharfen Messer aufschnitt. Das hier war das Letzte auf ihrer Einkaufsliste gewesen, die Passionsfrüchte für das Dessert, das Boustifailles Markenzeichen war: Millefeuille aux fruits de la passion – Schichten aus papierdünnem süßem Teig und exquisitem Vanilleschaum, der mit leicht säuerlichem, knackigem Fruchtfleisch vermischt war.
Bastien puhlte mit dem Finger ein Stück heraus und kaute kritisch. »Perfekt!«, verkündete er. »Der Geschmack ist einfach unglaublich. Willst du mal probieren?«
Imogen sah zu, wie er sich noch ein Stückchen in den Mund schob, und dann, ehe sie wusste, wie ihr geschah, zog er sie an sich und küsste
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