Prinz für die Köchin
so viel mehr im Leben.« Als Antwort auf Imogens fragenden Blick überlegte Faustina kurz, ehe sie an den Fingern abzuzählen begann. »Tanzen. Und dann noch Shoppen und Urlaub machen. Und Sex natürlich«, stellte sie mit einer abgebrühten Offenherzigkeit fest, die Imogen eindeutig französisch fand. »Das wird mir nie langweilig.«
Auf dem Heimweg war Imogen recht nachdenklich gestimmt. Natürlich gab es mehr im Leben als Essen – und obgleich sie persönlich sich nie groß Gedanken um die Lebenswichtigkeit von Tanzen, Shoppen und Urlaub gemacht hatte, wurde ihr klar, dass Faustina in Bezug auf Sex bestimmt recht hatte. Aber nur theoretisch. Denn für Imogen hatte sich keine sexuelle Begegnung jemals wirklich, wirklich richtig angefühlt. Bestenfalls war ihr Sex vorgekommen wie eine recht anstrengende Leibesübung, die … nirgendwo hinführte. Vielleicht interessierte sie sich ganz einfach nicht für die sexuelle Seite der Dinge. Wenn sie recht darüber nachdachte, dann rührten die einzigen lustvollen Erlebnisse, die sie jemals gehabt hatte, vom Genuss essbarer Dinge her.
Monty bellte und kratzte mit der Pfote an ihrer Einkaufstasche. Nachdem sie ihm ein Hundeleckerli mit Knochenmarkfüllung ins Maul geschoben hatte, lächelte Imogen dieses ernste, borstige und schnauzbärtige kleine Geschöpf liebevoll an, das in der Tat ihre große Liebe war.
Im Schaufenster eines Zeitungsladens sah sie ein Foto von Brigitte Bardot auf der Titelseite einer Zeitschrift, neben einer Schlagzeile über Tierschutz. Vielleicht würde sie ihren Lebensabend genauso verbringen wie der menschenscheue Filmstar, der gar nicht weit entfernt in Saint Tropez lebte, mit einer riesigen Menagerie aus Hunden, Katzen und Ponys, weil sie ihre Gesellschaft so viel lohnender fand als die der Menschen.
Sie warf einen flüchtigen Blick auf ihr Spiegelbild und seufzte. Eine Gestalt in wuchtigen, knöchelhohen Schnürschuhen, knielangen Khaki-Bermudas und einem viel zu großen T-Shirt blickte zurück. Sie mochte ja Brigitte Bardots Tierliebe teilen, als Betthäschen jedoch hatte sie um einiges weniger zu bieten.
»Klein und groß, nicht?«, bemerkte Faustina ein paar Tage später, als Monty am Strand entlang vorantrabte und Cristiana ihm in respektvollem Abstand folgte. Imogen nickte lachend. Die beiden Hunde gaben ein ungewöhnliches Paar ab.
»Aber ich glaube, sie werden sich ganz gut verstehen«, fuhr Faustina fort, »wenn sie sich besser kennen.«
Imogen dachte bei sich, dass diese Aussage auch auf sie und Faustina zutraf. Ja, sie sahen so verschieden aus wie Tag und Nacht, genau wie ihre Hunde, aber Faustina war interessant, vielleicht gerade weil sie so anders war. Außerdem hatte die ruhige, heitere Autorität, mit der sie auftrat, etwas sehr Sympathisches an sich. Sie waren im Begriff, Freundinnen zu werden, ging es Imogen auf.
Die beiden jungen Frauen waren sich am frühen Morgen abermals begegnet, vor dem Bonjour les Toutous, und Monty und Cristiana hatten es sofort geschafft, ihre Leinen miteinander zu verheddern. Im Laufe des daraus entstehenden Gesprächs hatte Faustina sich erkundigt, ob Imogen einen Freund in London zurückgelassen habe, und Imogen hatte ihr die noch immer ungelöste Situation mit Bastien geschildert.
Nach der Kuss-Episode im Lieferwagen waren sie auf Bastiens Vorschlag hin à deux etwas trinken gegangen. Dabei hatten beide kaum ein vernünftiges Wort herausgebracht. Imogen hatte über das Restaurant geplappert, während sie sich innerlich fragte, wie sie das Gespräch so lenken könnte, dass sie Bastien die Wahrheit sagen konnte – es war schön gewesen, ihn zu küssen, weil er wirklich unheimlich lieb war, doch sie war sich nicht sicher, ob sie wollte, dass mehr daraus wurde. Bastien hatte ihren Ausführungen über das Thema Essen zugehört, ohne sie zu unterbrechen, und er hatte auch keinerlei romantische Andeutungen gemacht. Dann, als sie aufstand, um zu gehen, und sein Schweigen als unausgesprochenes Einverständnis interpretierte, dass der Kuss im Lieferwagen eine einmalige Sache gewesen war, hatte er sie plötzlich für nächsten Mittwoch ins Kino eingeladen, und Imogen war keine plausible Ausrede eingefallen.
Diese nächste Verabredung hatte die Spannung zwischen Imogen und Bastien nicht eben verringert. Bastien hatte, wahrscheinlich abgeschreckt von Imogens steifer, abweisender Körpersprache, während des ganzen Films unruhig herumgezappelt und erst den Mut aufgebracht, nach ihrer Hand zu greifen,
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