Prinz Rajin - Der Verdammte
Lage selbst auf Jagd zu schicken, wäre sehr riskant. Aber unsere Fleischgabe wird die Bindung zwischen den Drachen und uns erneuern, zumindest für eine gewisse Weile.“
„Du glaubst nicht, dass das Problem damit grundsätzlich gelöst ist.“ Rajins Blick traf sich mit dem des Weisen. Die Worte des Prinzen waren nicht im Ton einer Frage, sondern einer Feststellung gesprochen worden.
„Nein, das gewiss nicht“, murmelte Liisho düster. „Jeder, der einen Drachen reitet, wird früher oder später in Schwierigkeiten kommen. Vielleicht zeigt es sich bei ehemaligen Wilddrachen früher als bei ihren trägen Artgenossen aus den Pferchen, und bei Kriegsdrachen eher als bei Lastdrachen. Aber die Ursache all dessen liegt unter dem mitteldrachenischen Gebirgsrücken begraben.“
„Yyuum …“, murmelte Rajin.
„Der Urdrache erwacht. Und die zwergenhaften Winzlinge, die die Nachfahren von ihm und seinesgleichen sind, spüren das.“ Liisho fasste Rajin bei der Schulter. „Es wird Zeit, dass du ihm endlich den Drachenring abnimmst, Rajin! Vielleicht habe ich nicht wahrhaben wollen, wie ernst die Lage in Wahrheit schon ist und wie wenig Zeit uns noch bleibt …“
Wenige Augenblicke später lockerten Rajin und Liisho die geistigen Zügel, mit denen sie ihre Drachen im Zaum hielten, und gestatteten ihnen, sich auf ihr Mahl zu stürzen. Wild und ungebärdig warfen sie sich auf die erlegten Hochlandantilopen. Das Pfeilgift, das die Ninjas verwendeten, mochte für die achtbeinigen Tiere tödlich sein – um einem Drachen von der Größe und Erhabenheit dieser beiden Kolosse zu schaden, wäre allerdings eine vielfache Menge nötig gewesen.
Ayyaam und Ghuurrhaan zerrissen die Körper der Antilopen förmlich und schlangen große Stücke hinunter. Das feine Haar der Antilopenfelle flammten sie mit ihrem Feuerhauch weg, sodass knusprige Haut zurückblieb. Die Knochen brachen krachend zwischen den kräftigen Zähnen der Drachen und wurden zermahlen.
Während Ayyaam und Ghuurrhaan fraßen, wurden sie mit der Zeit deutlich träger und ihre Bewegungen langsamer. Ihr Hunger war offenbar längst gestillt, aber da Wilddrachen dann zu fressen pflegten, wenn sie die Gelegenheit dazu hatten, würgten sie alles in sich hinein, was ihre Mägen noch gerade so aufnehmen konnten.
Mit blutverschmierten Mäulern ließen sie schließlich von den wenigen Resten ihrer Mahlzeit ab. Ihr aggressives Knurren war zu einem weichen, dunklen Brummen geworden, der tief aus der Kehle kam und ihre massigen Rümpfe als Klangkörper benutzte. Es ließ den Boden vibrieren und erzeugte bei Menschen ein Druckgefühl im Bauch.
„Für eine Weile werden wir es jetzt leichter mit ihnen haben“, sagte Liisho.
„Mit den Drachen vielleicht“, erwiderte Rajin und deutete zum Horizont. „Aber ich fürchte, wir bekommen neue Schwierigkeiten!“
Liisho griff zu seinem Fernglas und sah am Horizont Dutzende von Luftschiffen unterschiedlichster Größe. Manche waren noch so weit entfernt, dass sie kaum mehr als dunkle Punkte waren.
„Eine Luftkriegsflotte der Tajimäer!“, stellte Rajin fest.
Schreie drangen ganz leise und scheinbar aus großer Entfernung an ihre Ohren. Drachenschreie, die zunächst in Ayyaam und Ghuurrhaan Brummen untergegangen waren.
„Die Luftflotte ist vor der Kriegsdrachenarmada Katagis auf der Flucht“, stellte Liisho fest und reichte Rajin das Fernglas.
8. Kapitel
Im Palast des Usurpators
Katagi saß mit regungslosem Gesicht auf seinem Thron. Über ihm prangte ein goldener Drachenkopf mit geöffnetem Maul – eines der Wahrzeichen, die man dem Kaiser traditionell zuordnete.
Seine Faust schloss sich um das Zepter, dem kunstvoll verziertem Drachenstab. Dabei rutschte der Saum seines Ärmels hoch, sodass seine Finger sichtbar wurden.
Was fürchtete er? Diese Frage ging ihm durch den Kopf. Dass seine Schande offenbar wurde? Drei Drachenringe befanden sich an den Fingern der rechten Hand. Aber einer von ihnen war lediglich ein Imitat, das er sich erst vor wenigen Monaten hatte anfertigen lassen, um die Erzählungen von dem Affen Lügen zu strafen, der mit einer Gauklergruppe an den Hof gekommen war und eines der orgiastischen Feste, die seit der Thronbesteigung Katagis im Palast üblich geworden waren, dazu genutzt hatte, dem Herrscher einen der Ringe zu stehlen.
Eine Geschichte, die Katagi mehr schadete als alles andere, denn sie untergrub letztlich seine Autorität bei den Drachenreitern. Die drei Ringe waren
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