Prinz Rajin - Der Verdammte
Quellsee des Pa war über einen unterirdischen Höhlenfluss mit dem großen Vulkansee verbunden, an dessen Ufern die wichtigsten Zentren des Luftreichs lagen. Kajar gehörte nicht nur wegen seiner Stoffmanufakturen und seiner Werkstätten, die dem Luftschiffbau dienten, zweifellos dazu.
Die Lichter dieser großen Stadt schimmerten hinter den Bergen hervor wie ein fernes Leuchtfeuer. Luftschiffe waren zu sehen und wirkten wie Motten, die ein Feuer umschwirrten.
Als ihnen nordwestlich des Pa-Quellsees eine Patrouille von fünf großen Luftschlachtschiffen auf einer Entfernung von weniger als einer drachenischen Meile begegnete, ließen Rajin und Liisho ihre Drachen im Schatten einiger schroffer, felsiger Anhöhen am Nordwestufer verschwinden. Sie hielten sich in den besonders dunklen Bereichen auf, bis die Luftschiffe zwischen den Bergen verschwunden waren. Dann setzten sie ihren Weg fort.
Die Nachtstunden gingen dahin. Sie erreichten den Quellsee des Pa, in dem sich die Monde spiegelten. Es gab einige Fischerdörfer an den Seeufern, und nicht wenige Fischer waren bei Nacht hinausgefahren, um ihrem Beruf nachzugehen. Im Zwielicht von Blutmond und Meermond waren ihre Boote deutlich auszumachen. Und wahrscheinlichen sahen sie auch die beiden dunklen Schatten am Himmel, die über sie hinwegzogen.
„Darauf sollten wir keine Rücksicht nehmen“, vernahm Rajin die Gedankenstimme Liishos. „Solange es Nacht ist, wird uns ohnehin niemand zu stellen vermögen.“
Im Morgengrauen erreichten sie die nordwestliche Seite des Dachs der Welt. Dort, wo das Gebirge in ein flaches Hochland überging, war die Grenze zur Provinz Kajinastan. Deren Hauptstadt Kajina lag am Ma-Ka-Fluss, der durch den Vulkansee auf dem Dach der Welt gespeist wurde und von dort aus ins Mittlere Meer – auch die Mittlere See genannt - floss. Zeitweilig war Kajinastan von den Dracheniern erobert worden, aber man hatte das Land bereits unter Rajins Urgroßvater, dem Kaiser Ayjin, wieder aufgeben müssen. Der seinerzeit amtierende Priesterkönig hatte die Schmach einfach nicht ertragen können und vom Tag des Verlusts an dafür gearbeitet, die Provinz irgendwann wieder sein Eigen nennen zu dürfen. Und so hatte er die gewaltigste Kriegsluftschiff-Armada der bekannten Geschichte aufgeboten, um den Ma-Ka-Fluss zu überqueren und zuerst Kajina und später die ganze Provinz wieder in Besitz zu nehmen. Kaiser Ayjin hatte damals eine herbe Niederlage einstecken müssen, die Drachenarmada war mit Pauken und Trompeten aus Kajinastan verjagt worden. Seitdem war das Gebiet fest in tajimäischer Hand geblieben …
Als sie letzten Ausläufer des Dachs der Welt hinter sich gelassen hatten, wurden die Drachen zunehmend unruhiger. Zunächst galt das nur für Ayyaam, der mehrfach für Augenblicke aus der Kontrolle seines Reiters ausbrach und sogar abrupt die Flugbahn änderte, wobei er dröhnende Schreie ausstieß. Liisho hatte alle Hände voll zu tun, das Tier wieder auf Kurs zu bringen, und die Ninjas, die auf Ayyaams Rücken Platz genommen hatten, mussten sich gut festhalten.
Rajin sprach den Meister nicht darauf an, denn er glaubte zu wissen, dass Liisho eine tiefe Scham darüber empfand, dass ihm sein Drache nicht mehr auf einen Gedankenblitz hin gehorchte, wie man es bei einem erfahrenen Drachenreiter eigentlich erwarten konnte.
Doch dann wurde auch Ghuurrhaan unruhig. Rajin spürte den inneren Widerstand, den der ehemalige Wildrache ihm entgegensetzte, und er fühlte sich an jenen Moment auf der Insel der Vergessenen Schatten erinnert, als sich der Prinz durch eine am Strand lagernde Herde von Wilddrachen diesen einen zu seinem Reittier erwählt hatte. Es hatte einige Zeit gedauert, bis sich Ghuurrhaan schließlich widerstandslos lenken ließ. Nach manchem seiner ersten Flüge, die er unter Liishos Anleitung absolvierte, war er schweißnass gewesen, denn die ständige geistige Konzentration war ungeheuer anstrengend gewesen.
Als sie unter sich eine Herde von achtbeinigen Hochlandantilopen sahen, befahl Liisho seinem Drachen, die Flugbahn zu senken. Es war recht schnell erkennbar, was der Weise beabsichtigte. Er wollte ein paar der Antilopen erjagen, damit Ayyaam und Ghuurrhaan frisches Fleisch bekamen. Drachen konnten zwar durchaus über längere Zeiträume ohne Nahrung auskommen, und Wilddrachen waren im Gegensatz zu ihren Artgenossen, die in Gefangenschaft groß wurden und in den Pferchen mit mundgerecht portioniertem Stockseemammut verwöhnt wurden, sogar
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