Prinz Rajin - Der Verdammte
das Symbol der Macht der Menschen über die Drachen, und nicht wenige fragten sich, ob jemand, dem einer dieser Ringe auf so lächerliche Weise abhanden gekommen war, tatsächlich über die mächtigsten Geschöpfe der Welt gebieten konnte. Dazu mischte sich eine wenn auch nur unterschwellige Furcht: Furcht davor, dass sich die Legenden über den Urdrachen Yyuum, zu dem der Affe den Ring angeblich gebracht hatte, vielleicht bewahrheiteten und er aus seinem äonenlangen Schlaf erwachte. Vielleicht, um den seit langem vorhergesagten Aufstand der Drachen gegen ihre menschlichen Herren anzuführen.
In den nun beinahe neunzehn Jahren seiner Herrschaft hatte Katagi alles nur Erdenkliche getan, damit die Bewohner des Drachenlandes ihn fürchteten. Insbesondere galt dies für die Samurai. Sie sollten ihren Kaiser mehr fürchten als irgendeinen Feind und sich lieber von tajimäischen Dampfkanonen zerreißen lassen, als dass sie es wagten, ihrem Kaiser mit der Meldung einer Niederlage unter die Augen zu treten.
Aber ganz langsam hatte sich ein Gift im Reich ausgebreitet. Ein Gift, das auch aus Furcht bestand – der Furcht vor dem erwachenden Urdrachen. Und eines Tages war diese Furcht vielleicht größer als die vor ihm, dem selbst ernannten Nachfolger einer langen Reihe von drachenischen Kaisern, die bis auf den legendären Magiersprössling Barajan zurückging.
Katagi ahnte, dass es nur bedingt möglich war, die Furcht sowohl des Volkes als auch der Drachenreiter vor ihm zu erhöhen.
Auf dem großen Tisch im Thronsaal, der sonst als festliche Tafel diente, lagen Karten, die den gesamten Kontinent zeigten, auf dem die fünf Reiche lagen. Fünfland nannte man diesen Kontinent bisweilen auch – aber zumeist sprach man einfach nur von dem Land, denn es gab gute Gründe für die Annahme, dass das Fünfland der einzige Kontinent auf der Welt war und der Rest der Drachenerde mit Wasser bedeckt war. Den Legenden nach war das nicht immer so gewesen, sondern letztlich eine Folge der schier unbeschreiblichen Zerstörungen, die die Drachen zum Ende des Ersten Äons angerichtet hatten.
Jedenfalls gab es seit Menschen-und Magiergedenken Geschichten über Riesendrachen, die seinerzeit nicht nur von Erdreich begraben worden waren, sondern über die hernach auch noch ein sich ausdehnender Ozean hinweggespült war.
Das Fünfland war den drachenischen Drachenreiter-Samurai recht gut bekannt. Wirklich unbekannte Küsten gab es nicht, nur ein paar Gebiete und Inseln, auf denen die Anwesenheit Fremder aus den unterschiedlichsten Gründen nicht geschätzt wurde und die daher auch Katagis Bemühungen um eine kartographische Erfassung nicht unterstützt hatten.
Der Lord Drachenmeister Tarejo Ko Joma erläuterte mit großspuriger Gestik die militärische Lage, und einige Offiziere der Palastgarde hörten zu.
„Unsere Drachenreiter sind tief ins Seereich vorgedrungen“, erklärte Tarejo, obgleich sein kaiserlicher Herr nicht den Hauch eines Interesses zeigte. Katagi versuchte gar nicht erst, dem Lord Drachenmeister etwas vorzuheucheln. Es war ihm gleichgültig, was andere über ihn dachten oder ob sie ihn in die Gefilde der Verdammten wünschten.
Katagi gähnte ungeniert, während Tarejo fortfuhr: „Unsere Samurai drangen in die seemannischen Provinzen Osland und Nordenthal-Land vor. Der Widerstand, auf den unsere Krieger dabei stießen, war nicht besonders heftig. Manche der Seemannen benutzten vergiftete Pfeile, die wohl in einer ähnlichen Substanz getränkt werden wie die Harpunen, die man für gewöhnlich bei der Jagd auf Seemammuts benutzt. Außerdem versuchte man hier und dort Katapulte gegen unsere Drachen in Stellung zu bringen, doch haben sich unsere Verluste in engen Grenzen gehalten.“
„So ist damit zu rechnen, dass das Seereich in absehbarer Zeit fällt?“, fragte Katagi.
Doch in dieser Hinsicht war der Lord Drachenmeister in seiner Einschätzung deutlich vorsichtiger. „Der Widerstand ist noch lange nicht gebrochen. Im Gegenteil. Und bei ihrem Rückzug haben die Seemannen die Speicher mit Stockseemammut vernichtet, soweit sie konnten. Ganze Schiffsladungen sind in Flammen aufgegangen.“
„Sie wollten nicht, dass unsere Samurai mit dem Stockseemammut die Mägen der Drachen beruhigen“, schloss Katagi. „Ich hätte anstelle der Barbaren nicht anders gehandelt.“
„Immerhin fielen auch einige Lagerkontore bei Waldenborg in die Hände unserer Drachenreiter. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass wir den
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