Prinz Rajin - Der Verdammte
daran gewöhnt. Aber selbst bei Wilddrachen hatte Hunger eine verheerende Auswirkung auf das Gemüt; umgekehrt wirkte eine reichliche Mahlzeit beruhigend.
Hunger konnte nicht die Ursache der Unruhe sein, von der die beiden Drachen befallen waren, ging es Rajin durch den Kopf, der von seinem Platz auf Ghuurrhaans Rücken aus beobachtete, wie Liisho seinen Drachen herabstürzen ließ. Ayyaam flog dicht über die Herde Hochlandantilopen hinweg, während zwei der Ninjas, die zusammen mit dem Weisen auf dem Drachenrücken Platz genommen hatten, ihre Bögen spannten und Pfeile durch die Luft sirren ließen.
Von den vierundzwanzig Ninjas, die unter dem Befehl von Hauptmann Ganjon standen, waren nur sechs mit Pfeil und Bogen ausgerüstet, da die Ninjas bei ihren Einsätzen den direkten Kontakt zum Gegner suchten. Aber als zusätzliche Option waren ein paar Schützen mit Reflexbögen auch in ihrer Truppe sinnvoll – vor allem dann, wenn sie über längere Zeit auf sich allein gestellt unterwegs waren und sich ihren Proviant selbst erjagen mussten.
Die Pfeile trafen mit tödlicher Präzision ihre Ziele.
Nachdem der Weise Liisho Ayyaam noch einmal zurückfliegen und ein weiteres Mal über die inzwischen in Panik geratene Herde hinwegbrausen ließ, lag in Kürze ein halbes Dutzend der achtbeinigen Hochlandantilopen im kargen Gras, das aus dem alles andere als fruchtbaren Boden spross. Die Hochlandantilopen hatten ein Stockmaß, das höher war als selbst die größten seemannischen Krieger. Im ersten Moment hatte Rajin Zweifel daran, ob ein einzelner Pfeil überhaupt ausreichte, um ein so großes Tier zu erlegen.
Ganjon schien Rajins Gedanken zu erahnen, denn er sagte: „Die Pfeile eines Ninja sind vergiftet – ganz gleich, ob sie mit einem Blasrohr oder dem Reflexbogen abgeschossen werden.“ Wie zur Bestätigung seiner Worte brach im selben Moment eines der zuvor noch beinahe ungerührt wirkenden Tiere zusammen.
„Hätte ich mir ja denken können“, gab Rajin zurück.
„Es ist eine Frage der Achtung allen Lebens“, erklärte Ganjon. „Die zu tötende Kreatur soll nicht leiden – weder die Jagdbeute noch der Feind, den ein Ninja mithilfe eines Blasrohrs in die paradiesischen Gefilde schickt.“
„Die Kirche des Unsichtbaren Gottes verherrlicht das Leiden“, hielt Rajin dagegen.
„Ich weiß, denn schließlich hat auch der Prophet Masoo gelitten, als er die Nadel emporstieg, um die Gebote des Gottes zu empfangen. Aber der Ethos der Ninjas ist älter als der Glaube an den Unsichtbaren Gott.“
„Ihr scheint ihn völlig verinnerlicht zu haben“, stellte Rajin fest.
„Hattet Ihr daran gezweifelt, weil ich ein Gestrandeter bin, dessen Augen die Farbe des Meers widerspiegeln und der seine Gefährten mindestens um eine halbe Haupteslänge überragt?“, fragte Ganjon. „Ich unterscheide mich in Nichts mehr von den Männern, die ich befehlige.“
Die Antilopenherde floh indessen Richtung Nordosten. Liisho ließ Ayyaam landen, und Rajin folgte seinem Beispiel und ließ Ghuurrhaan gleich neben Ayyaam zu Boden gehen.
Beide Drachen stießen dumpfe Knurrlaute aus, und hin und wieder entfleuchte ihren Mäulern auch Rauch, Ayyaam einmal sogar ein unbeherrschter Feuerstoß, der das trockene Hochlandgras auf eine Länge von fünfzig Schritt abflammte, sodass ein schwarzes verrußtes Oval entstand.
Die Ninjas stiegen von den Drachenrücken, und sowohl Rajin als auch Liisho folgten ihrem Beispiel, nachdem sie beide noch einmal den Drachenstab tief zwischen die Rückenschuppen ihres jeweiligen Reittiers gesteckt hatten, um gleichzeitig mit ein paar sehr eindringlichen und mit innerer Kraft aufgeladenen Gedanken dafür zu sorgen, dass ihnen der Gehorsam der Giganten auch dann erhalten blieb, wenn sie nicht mehr im Sattel saßen.
Rajin hoffte nur, dass Liisho wusste, was er tat. Nun, der Weise war unbestreitbar der weitaus erfahrene Drachenreiter von ihnen beiden, und so entschied sich Rajin dafür, ihm zu vertrauen.
Die Drachen stießen in immer kürzerer Folge Knurrlaute aus, und zudem sickerte ihnen ätzender, übel riechender Speichel zwischen den Zähnen hervor und tropfte zu Boden.
„Sie wittern das Fleisch“, stellte Liisho fest. „Wenn sie sich vollgefressen haben, werden sie wieder leichter lenkbar sein. Aber wir müssen diesen Moment noch etwas herauszögern. Es ist wichtig, dass wir es sind, die ihnen das Fleisch verschafft haben. Verstehst du?“
„Ich denke schon“, sagte Rajin.
„Sie in dieser
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