Prinz Rajin - Der Verdammte
deutete auf Wuanjii. „Wie weckt man sie auf?“
„Dazu reicht ein Gedanke von mir. Ich werde das für Euch tun, wann immer Ihr es verlangt.“
„Ich nehme an, dass Ihr in ihren Geist gesehen habt.“
„Gewiss.“
„Dann sagt mir, warum sie mich töten wollte?“
„Sie ist die Tochter eines Mannes, den Eure Spione im tajimäischen Exil ermordet haben.“
„Dann ist es also wahr, und sie ist wirklich Kanzler Jabus Tochter?“
„Es gibt keinerlei Grund, daran zu zweifeln.“
Katagi atmete tief durch. Es war seine eigene Schuld gewesen, ging es ihm durch den Sinn. Er war zu leichtsinnig gewesen. Die Konkubinen, die man ihm zuführte, wurden normalerweise sehr sorgfältig ausgesucht. Junge Frauen aus Familien, mit denen noch irgendein Konflikt aus der Vergangenheit schwelte, wurden vorab aussortiert. Wuanjii musste sich also unter falschem Namen eingeschlichen haben.
Oder hatte vielleicht jemand aus seiner engsten Umgebung ihm diese Mörderin auf den Hals geschickt?
„Lasst sie foltern und vergleicht ihre Aussagen mit dem, was ich Euch gesagt habe, Kaiser Katagi“, forderte ihn Abrynos auf. „Ihr werdet erkennen, dass ich Euch nichts als die Wahrheit mitgeteilt habe.“
„Doch wollt Ihr mir doch nicht erzählen, dass Ihr hier aufgetaucht seid, eigens um mich zu retten“, gab Katagi zweifelnd zurück.
„Uns Magiern stehen vielerlei Quellen des Wissens zur Verfügung, die euch Unbegabten völlig unbekannt sind. Ich erlangte also auf eine Weise, die ich Euch nicht näher erklären kann, Kenntnis über einen Plan, der vorsah, Euch zu ermorden, und habe ihn vereitelt. Das ist alles.“
Die Unbegabten. So bezeichneten Magier bisweilen die Angehörigen aller nicht magischen Völker, die Menschen der fünf Reiche ebenso wie die Dreiarmigen, die Veränderten, die Echsenkrieger oder die Minotauren. Aus der Sicht eines mit den Kräften der Magie gesegneten Wesens waren sie allesamt erschreckend primitiv, fast auf einer Stufe mit den Tieren.
Welche Schmach musste es einst für das Volk der Magier gewesen sein, als sich Barajan - immerhin einer der ihren - mit einer Menschenfrau vermählt und einen Weg gefunden hatte, die Herrschaft über die Drachen ausschließlich den Angehörigen des minderbegabten Menschenvolkes zuteil werden zu lassen! Katagi konnte sich gut vorstellen, dass die Magier dies noch immer als größte Schande empfanden, obwohl das Reich Magus schon äonenlang nicht mehr auf die Dienste von Drachen angewiesen war.
„Der Vorfall mit Eurer schönen, aber gefährlichen Gespielin sollte Euch zeigen, wie sehr Ihr in Gefahr seid, Kaiser Katagi.“
„Das weiß ich selbst!“, knurrte Katagi gereizt.
„Es gibt jemanden, der Euch Eure Herrschaft über Drachenia streitig zu machen versucht“, stellte Abrynos fest. „Ich spreche von Prinz Rajin, dem letzten Sohn Kaiser Kojans, den Ihr nicht habt töten können wie seine fünf Brüder. Ich könnte ihn in Eure Hand geben, sodass Ihr mit ihm tun könnt, was Ihr wollt.“
Katagis Augen wurden schmal. Er zog die Augenbrauen zusammen und musterte seinen Gast. „Ich habe gehört, er soll im Südflussland sein …“
„Umgeben von Getreuen. Wollt Ihr ihn wirklich dort jagen und damit Eure Kriegskräfte schwächen?“ Abrynos schüttelte energisch den Kopf. „Nein, ich liefere ihn Euch nahezu allein, nur von seinen engsten Vertrauten umgeben.“
„Was verlangt Ihr dafür?“, fragte Katagi. „Ihr werdet mir dieses Angebot sicher nicht ohne Gegenleistung unterbreiten.“
Abrynos stieg über den reglos am Boden liegenden Körper der jungen Frau hinweg und ließ sich auf einem mit kunstvollen Stickereien versehenen Diwan nieder. Die Stickereien bildeten Ligaturen drachenischer Schriftzeichen, sehr verschnörkelt und nur für Eingeweihte zu entziffern: Der Kaiser von Drakor herrscht über Drachen und Menschen auf ewig und ein Äon.
„Ich muss Euch zunächst die Situation erklären, Kaiser Katagi“, begann Abrynos. „Ihr habt einen Krieg vom Zaun gebrochen, der das Gleichgewicht zwischen den fünf Reichen wahrscheinlich für immer zerstört hat. Es wird lange dauern, bis sich ein neues Gleichgewicht einpendelt, und welche der heute noch existierenden Reiche dann noch bestehen werden, das weiß wahrscheinlich nicht einmal Euer Unsichtbarer Gott …“
„Worauf wollt Ihr hinaus, Abrynos?“, fragte Katagi.
„Offiziell erscheint das Reich Magus neutral, doch in Wahrheit hat sich Großmeister Komrodor längst entschieden, für welche Seite er
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