Prinz Rajin - Der Verdammte
spüren, wie sehr dies Ghuurrhaan missfiel. Und da war auch noch etwas anderes, das er bei seinem Drachen plötzlich bemerkte: Unruhe. Eine so tiefgehende Unruhe, wie der Prinz sie zuvor noch nie bei seinem Drachen gespürt hatte. Ein Zittern durchlief den Körper des Tieres, und zunächst hatte Rajin keine Erklärung dafür. Die Wunden waren schließlich versorgt, der Drachenmagen voll, und dass sich Ghuurrhaan vor den Mondwinden so sehr ängstigte, konnte sich Rajin eigentlich nicht vorstellen; das wäre völlig gegen Ghuurrhaans Art gewesen.
Aber Ayyaam schien es nicht anders zu ergehen. Ein durchdringender, für Drachenverhältnisse sehr schriller Schrei entrang sich der Kehle von Liishos Reittier. Ein Schrei, wie man ihn vielleicht bei einer schweren Verletzung oder in höchster Todesgefahr erwartet hätte. Aber dafür war – noch – kein Anlass. Die auf der gegenüberliegenden Flussseite in Stellung gebrachten Dampfgeschütze und Katapulte konnten sie nicht erreichen, ehe die Drachen nicht wenigstens die Hälfte der Flussbreite überquert hatten. Gleiches galt für die Verteidiger Kajinas.
Eines der Fähren-Luftschiffe zog langsam und völlig überladen in Südrichtung und wich dabei Rajin und Liisho mit ihren Drachen aus, sodass es einen weiten Bogen fliegen musste. Offenbar fürchtete man einen Drachenangriff auf die wehrlosen Fähren.
Rajin blickte zurück. Eines der kleineren Kriegsluftschiffe, das ihre Verfolgung aufgenommen hatte, drohte sie inzwischen einzuholen. Und von jenen Schiffseinheiten, die ihnen aus westlicher Richtung entgegenkamen, waren einige auf Abfangkurs gegangen, um die beiden Drachen abzufangen.
Aber einfach über den Fluss zu fliegen hätte den Tod bedeutet. Im Gegensatz zu jenem Abschnitt des Flusses, an dem Rajin und Liisho zum ersten Mal versucht hatten, den Strom zu überqueren, machten sich hier die Verteidiger nicht einmal die Mühe, sich zu tarnen. Mit dem Fernglas waren Tajimäer, Dreiarmige und Echsenkrieger deutlich auszumachen. Eine Kolonne von Kampfkäfern machte sich bereit, um sich von einem der Fähren-Luftschiffe über den Fluss nach Kajina bringen zu lassen.
Pfeile, Bolzen und Drachenzwicker schossen auf einmal aus den Schießscharten jenes Luftschiffs, das sich ihnen an die Fersen geheftet hatte. Die Schüsse gingen zunächst fehl, aber je weiter sich das Luftschiff näherte, desto größer wurde die Wahrscheinlichkeit, dass die beiden ehemaligen Wilddrachen erneut schwer verletzt wurden. Das konnte dann das Ende ihrer Reise bedeuten.
„Mein Prinz, ich werde den Luftschifftöter zum Einsatz bringen!“, rief Ganjon. „Das gäbe uns zumindest eine Verschnaufpause!“
Die beiden Drachen flogen nur noch sehr langsam, denn gleichgültig, in welche Richtung sie sich wandten, überall wären sie dem Tod entgegengeeilt.
Rajin streckte den Arm aus. „Wollt Ihr etwa, dass ich dem Luftschiff dort hinten entgegenfliege, um es von unten anzugreifen, wie es ja wohl für den Einsatz Eurer Waffe nötig wäre?“
Als wollte das Schicksal selbst die Absurdität dieses Vorhabens demonstrieren, pfiff ein Armbrustbolzen so dicht an Rajins Kopf vorbei, dass er den Luftzug spüren konnte. Weil Ghuurrhaan den Kopf etwas zur Seite gewandt hatte, traf das Geschoss einen der Halsstacheln. Der Stachel brach an der Wurzel heraus, und Blut schoss aus der entstehenden – allerdings nicht sehr tiefen - Wunde. Ghuurrhaan brüllte auf. Mit größter Anstrengung konnte Rajin sein Reittier ruhig halten und die geistige Herrschaft über den Drachen behaupten. Etwas, wozu er immer mehr innere Kraft aufbringen musste, wie ihm schien.
„Es ist nicht nötig, dass Ihr Euch dem Luftschiff zu weit nähert!“, widersprach Ganjon. „Nur ein Stückweit, dann müsst Ihr Euch sehr niedrig halten, damit der Luftschifftöter von schräg unten auftreffen kann!“
Rajin überlegte kurz. Anscheinend blieb ihnen tatsächlich keine Wahl. Also lenkte er Ghuurrhaan in einem Bogen herum - auch zu Liishos Verwunderung – und ließ seinen Drachen anschließend nur knapp eine Mannhöhe über den Boden fliegen. Mit ein paar kräftigen Flügelschlägen beschleunigte der Drache. Die durch den herausgebrochenen Stachel verursachte Wunde blutete noch immer recht stark, behinderte Ghuurrhaan allerdings in keiner Weise. Eher weckte der Geruch des eigenen Blutes seine Wut, was es Rajin in diesem Moment erleichterte, den Gegner frontal anzugreifen.
Ganjon richtete seine Waffe aus. Die Haltegabel der schweren
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