Prinzentod
und stoßen sich gegenseitig an. Jetzt reicht es mir aber. Mein ganzer Zorn entlädt sich auf die beiden. »Echt super, ihr Blödmänner!« »Wir waren das nicht, Lissie. So was machen wir nicht!« Die beiden treten näher. »Schöne Scheiße!« Sie versuchen, sich ein Lachen zu verbeißen, aber es klappt nicht wirklich. Und um meine Lage perfekt zu machen, taucht auch noch Nico auf. Sein Arm liegt auf der Schulter eines zarten Mädchens, das ihn von der Seite mit anhimmelnden Blicken bombardiert, und er steuert direkt auf uns zu. Ein zufriedener Ausdruck liegt auf seinem Gesicht, so als hätte er es darauf angelegt, mich zu treffen, und plötzlich verstehe ich auch, warum er gestern auf der Treppe so freundlich zu mir war. Offensichtlich hat er tatsächlich wieder eine Freundin und brennt jetzt darauf, sie mir zu zeigen. »Probleme?«, fragt er scheinheilig. Victor und Valentin kichern. »Nein«, sage ich betont lässig, dabei würde ich ihn am liebsten ohrfeigen für seine blöde Frage. »Aber könntest du mich vielleicht auf deiner Vespa mitnehmen? Ich muss dringend nach Hause.« Nico mustert mich. »Oh, aber das würde ja bedeuten, dass ich eine Entscheidung treffen muss.« Er lässt das Mädchen los, das ihn bestürzt betrachtet. Nico schaut zögernd zwischen uns hin und her, macht eine abschätzige Bewegung mit dem Kopf, dann küsst er das Mädchen, das sofort wieder anfängt zu strahlen. »Tut mir leid, meine Vespa ist schon besetzt. Aber . . .«, er grinst jetzt richtig rachsüchtig und deutet auf mein Shirt. »Alles wird gut!« Er nimmt das Mädchen fest in den Arm und gemeinsam schlendern sie weiter. Mistkerl! Ich kann nicht glauben, dass ich gestern noch Mitleid mit ihm hatte.
Victor meldet sich wieder zu Wort. »Mann, Valentin, riech mal, das ist gar keine Scheiße, bloß Leberwurst.« »Igitt!« Valentin schüttelt sich. Ich mustere die beiden und plötzlich bin ich mir nicht mehr sicher, ob das Ganze wirklich ein Schulstreich ist. Alle meine Haare stellen sich auf, als hätte man einen Eimer kaltes Wasser über mir ausgeleert. Denn mit einem Mal fällt mir wieder das rosa T-Shirt ein: »Das Böse trägt ein neues Gewand . . .« Was soll das bedeuten? Hat es jemand auf mich abgesehen? Jetzt hält mich nichts mehr auf dem Schulhof, ich warte nicht auf Bernadette, damit sie mich mitnimmt, ich rase einfach los. Trotz der Hitze laufe ich den ganzen Weg bis nach Hause und dort sehe ich es schon von Weitem und mein Herz bleibt beinahe stehen.
Vor dem Haus parkt ein Polizeiauto und ich kann nur eins denken: Was ist mit Kai? »Hätte dich nicht als Katastrophenvampir eingeschätzt«, sagt Violetta, die plötzlich hinter mir auftaucht. Dabei ist sie genauso außer Atem wie ich. »Ist es dir wirklich so egal, was mit Kai los ist?« »Der kann von mir aus in der Hölle schmoren.« »Wie kannst du ihn nur so hassen?« Violetta reißt ihre schwarz umrahmten Augen weit auf, als stünde sie auf der Bühne der Kammerspiele und gäbe die Kassandra. »Das musst du schon selbst herausfinden«, sagt sie, dann verschwindet sie im Haus. Mit klopfendem Herzen folge ich ihr. Als ich schon fast in der Dachwohnung bin, kommen zwei Polizisten aus der Wohnung von Brigitte und poltern die Treppe hinunter. Ich bleibe stehen und horche auf ihre Stimmen. »Hast du dieses Waffenarsenal gesehen?«
Sie reden von dem Eichenschrank im Esszimmer, so etwas wie ein Heiligtum von Paul, Brigittes erstem Mann. »Ja, wenigstens war es abgesperrt. Trotzdem sollte so etwas verboten werden. Die haben doch Kinder. Immerhin hat keine gefehlt, von wegen Selbstmord, meine ich.« Eine Stimme mit bayerischem Akzent antwortet gut gelaunt, gerade so, als würden die beiden über frische Brezeln reden: »Ach Quatsch. Der ist nicht der Typ für Selbstmord. Wenn du mich fragst, reagiert die Alte völlig hysterisch. Der macht sich doch nur ein paar schöne Tage. Ich hab damals über ihre Heirat in der TZ gelesen, er ist über zehn Jahre jünger.« Ich beuge mich über das Geländer und sehe gerade noch, wie der andere seinen Kopf schüttelt. »Und sie hat das Geld...« Eine Tür klappt, die Stimmen brechen ab. Ich kann nicht fassen, dass sie so über Kai sprechen. So ist er nicht, selbst wenn Bernadette recht haben sollte. Andererseits, fällt mir siedend heiß ein, nehmen sie die Sache wahrscheinlich nur deswegen nicht ernst, weil sie keine Ahnung von seinem Anruf haben. In dem Moment wird mir klar, dass ich zur Polizei muss. Kai hat um Hilfe gebeten, das
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