Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Prinzentod

Prinzentod

Titel: Prinzentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
Vom Netzwerk:
r klar ist, dass meine Wärme ihn nicht lebendig machen wird . Etwas in mir wimmert leise, möchte ihn bedecken, anziehen . Möchte weglaufen und Papa anrufen . Ich schaukele mit dem Oberkörper vor und zurück, um mic h zu beruhigen, und streichele immer wieder Kais leblos e Hand. Wie kann ein so großer starker Mann einfach tot sein ? Was ist passiert? Es sieht aus, als wäre er ausgerutscht, als e r in die Wanne gestiegen ist . Was soll ich denn jetzt machen ? Die Polizei. Ich muss die Polizei anrufen. Und Brigitte . Ich muss jemanden anrufen, der weiß, was zu tun ist . Aber wie erkläre ich das alles? Wie erkläre ich, dass ic h wusste, wo er ist? Wie kann ich Brigitte unter die Augen treten ? Ich stehe auf, meine Knie zittern jetzt noch stärker als vorher. Ich muss nachdenken, aber nicht hier, nicht neben Kai .
    Da sehe ich unter Kais Arm etwas glitzern. Sein silbernes Handy. Mir wird schockartig übel, ich muss mich gegen die Wand lehnen. Damit hat er mich angerufen, er hat mich um Hilfe gebeten und ich hab ihn im Stich gelassen, weil ich mein Handy ausgeschaltet habe. Vielleicht ist er sogar wegen mir ausgerutscht, er war so wütend, als ich die Wohnung verlassen habe! Ich muss raus hier, ich renne zur Tür, werfe sie ins Schloss, renne die Treppen nach unten, raus, einfach raus, nur weg von hier. Wieder begegnet mir kein Mensch im Treppenhaus. Ich versuche langsamer zu gehen, mich zu beruhigen, klarer zu werden, und lande in der Eisdiele. Mir ist so schlecht, mir dreht sich alles. Ich lasse mich auf den ersten freien Platz fallen, bestelle eine Cola und versuche, ruhiger zu atmen. Aber immer wieder schiebt sich Kais Bild vor meine Augen, ich sehe, wie er noch atmet, mühsam meine Nummer wählt und seine letzten Worte auf die Mailbox spricht. Papa! Ich werde Papa anrufen. Er muss mir sagen, was ich tun soll, sofort, ich brauche Hilfe und vor allem sein Verständnis. Mit zitternden Fingern suche ich im Adressverzeichnis nach seiner Nummer, doch ich erreiche nur die Mailbox. Ich spreche nichts darauf, aus meiner Kehle wäre nur ein heiseres Krächzen gekommen. Dafür schreibe ich ihm eine SMS, in der ich ihn bitte, mich unbedingt anzurufen oder mir zu mailen, wann wir telefonieren können. Die Cola schmeckt mir nicht, aber ich stürze sie trotzdem in einem Zug hinunter und bestelle noch eine.
    Du musst klar denken, Lissie, beschwöre ich mich. Was sind denn die Tatsachen? Kai hatte einen Unfall. Er ist im Badezimmer ausgerutscht. Niemand weiß von unserer Affäre und es gibt auch keinen Grund, dass ausgerechnet jetzt jemand davon erfahren muss. Aber ich muss es doch melden, schreit alles in mir. Ich muss jemandem sagen, dass er dort oben in der Wohnung liegt! Brigitte taucht vor meinem inneren Auge auf, wie sie außer sich vor Sorge in unserem Flur sitzt. Wenn ich jetzt zur Polizei gehe, erfährt sie nicht nur, dass ihr Ehemann gestorben ist. Nein, sie erfährt auch noch, dass er eine Affäre hatte, und zwar mit der Untermieterin und besten Freundin ihrer Lieblingstochter. Unmöglich! Die Kellnerin kommt mit der zweiten Cola, sie sieht mich etwas merkwürdig von der Seite an, aber sie sagt nichts. Kann ich den Unfall vielleicht anonym melden? Aber wenn ich die Polizei anrufe oder Brigitte eine Mail schicke, sieht es so aus, als würde mehr hinter allem stecken. Oh Gott, ich habe sein Handy vergessen! Wenn Kai in der Wohnung gefunden wird, dann wird die Polizei es bestimmt zusammen mit seinen anderen Sachen Brigitte geben. Und wenn sie dann nachsieht, wen er als Letztes angerufen hat... Die kalte Cola in meinem Bauch gurgelt. Es gibt keinen anderen Weg, ich muss zurück und sein Handy verschwinden lassen und mir dann irgendwie überlegen, wie ich den Unfall anonym melde. Wenn sie das Mobiltelefon nicht bei ihm in der Wohnung finden, wird man glauben, dass es zusammen mit den anderen Sachen im Auto war, die gestohlen wurden. Ich lege das Geld auf den Tisch und laufe zurück, versuche normal zu gehen, um nicht aufzufallen. Ich habe Glück , denn im Treppenhaus ist wieder niemand . Ich renne die Stufen hinauf, bis in den vierten Stock, schnell , schneller Lissie, nicht nachdenken . Über den letzten Treppenabsatz stolpere ich fast, denn mi r fällt schlagartig ein, dass ich vorhin in meiner Panik die Tü r einfach habe zufallen lassen . Keuchend bleibe ich stehen und starre hilflos auf die Wohnungstür . Es dauert ein paar Sekunden, um zu verstehen, was ich da sehe. Gleichzeitig fangen meine Knie wieder an zu

Weitere Kostenlose Bücher