Prinzentod
zittern un d Angstperlen treten auf meine Stirn . Denn der Schlüssel liegt nicht etwa auf dem Tisch in de r Wohnung, wo ich ihn zurückgelassen habe . Der Schlüssel steckt im Schloss .
12. Kapitel
I ch weiß nicht, wie lange ich schon mit klopfendem Herzen vor dieser Tür stehe, Stunden, Tage oder nur Sekunden. Mein Körper ist wie gelähmt, warnt mich, sagt: Lissie, dieser Schlüssel verwandelt die Tür in den Eingang zur Hölle. Da drin wartet etwas Böses auf dich, etwas sehr Böses. Gleichzeitig rasen Gedanken durch mein betäubtes Gehirn, ich versuche zu verstehen, was gerade passiert. Jemand ist hier! Jemand ist in der Wohnung und es ist nicht die Polizei, so viel steht fest. Denn die würden ja wohl kaum den Schlüssel aus dem Blumenkranz benutzen. Fast hätte ich auf dem Absatz kehrtgemacht, aber im letzten Moment reiße ich mich zusammen. Es ist genug. Kai ist tot. Genug. Ich bin schon zu lange allem Unangenehmen aus dem Weg gegangen, um mich selbst zu schützen. Genau genommen war ich unglaublich feige. Jetzt werde ich endlich einmal etwas richtig machen, in diese Wohnung hineingehen und wen immer ich dort finden werde, zur Rede stellen. Und danach werde ich umgehend die Polizei rufen, ganz egal, was für schreckliche Folgen das auch haben wird. Ich reiße energisch die Tür auf. Alles sieht genauso aus wie vorhin. Es riecht auch genauso. Nicht der Hauch eines anderen Menschen liegt in der Luft. Ich greife mir einen Stuhl und trage ihn wie einen Schild vor meiner Brust, schleiche durch alle Zimmer bis auf das Bad. Dabei halte ich den Atem an, um zu hören, ob das morsche Holz unter dem Nadelfilz irgendwo ächzt. Nichts. Niemand.
Die Badezimmertür steht noch immer offen, Kais Umriss zeichnet sich deutlich auf dem Boden ab. Ich lasse den Stuhl sinken und stütze mich auf die Lehne. Meine Finger zittern. Ich versuche verzweifelt, eine logische Erklärung für den Schlüssel zu finden. Wäre es möglich, dass Tim, der Besitzer der Wohnung, hier war und, von Kais Anblick genauso erschüttert, überstürzt weggerannt ist, genau wie ich? Nein, das macht keinen Sinn. Erstens hätte Tim einen Schlüssel, und selbst wenn nicht, hätte er ihn wohl kaum im Schloss stecken lassen, sondern in Panik eher die Tür offen gelassen. Ich sehe noch einmal ins Bad. Kais muskulöser Körper wirkt auf einmal so zerbrechlich, irgendwie puppenhaft. So, als müsste ich ihn beschützen. Am liebsten möchte ich eine Decke holen und diesen schrecklichen Duschvorhang ersetzen. Aber das ist lächerlich, denn ihn kann jetzt nichts mehr wärmen, nie mehr. Ein vertrauter Geruch steigt mir in die Nase, das ist sein Geruch, fast hätte ich aufgeschrien, doch dann entdecke ich seinen Kimono auf dem unordentlichen Klamottenhaufen. Meine Hände greifen nach dem seidigen Stoff, wollen sich festhalten, an dem, was von ihm geblieben ist. Ohne lange nachzudenken, stopfe ich den Mantel in meine Tasche, ich möchte etwas von ihm haben, das mich an ihn erinnert. Im Hausflur höre ich ein Kind weinen, eine Frau versucht es in gebrochenem Deutsch zu beruhigen. Ich spüre, wie jetzt die Panik in mir hochkocht, alles andere verdrängt. Mein einziger Wunsch ist zu verschwinden, einfach nicht hier zu sein. Am liebsten würde ich die Hände vors Gesicht schlagen wie ein kleines Kind, in der Hoffnung, dass die Monster es so nicht finden werden.
Niemand weiß, dass ich hier bin, bis jetzt hat mich nieman d entdeckt . Das Handy ! Ich beuge mich vor, versuche verzweifelt, Kais Körper nich t zu berühren, greife über ihn und will das Handy hervorziehen . Es ist weg . Ich richte mich sofort auf, taumele einen Schritt zurück, vielleicht habe ich nur falsch in Erinnerung, wo es vorhin gelegen hat, doch ich kann es nirgends entdecken . Ich fühle mich wie betäubt . Wer war in der Wohnung? Was zum Teufel wird hier gespielt ? Die Panik hat nun jede Faser meines Körpers erreicht un d meine Beine tun das, wonach sie lechzen, seitdem ich dies e Wohnung betreten habe . Sie rennen .
Erst auf der Theresienwiese komme ich wieder zu mir. Tränen laufen mir über das Gesicht, während ich mich keuchen d auf der öden, asphaltierten Fläche niederlasse, den Kopf zwischen meine Knie stecke, versuche durchzuatmen und di e Übelkeit zu bekämpfen . Mein Gesicht glüht, genau wie der Boden, der Teer scheint i n der Hitze zu kochen. Meine Jeans kleben, die Sonne brenn t unbarmherzig auf mich herunter . Hätte ich doch nur meine Baseballkappe aufgesetzt, denk e ich
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