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Prinzentod

Prinzentod

Titel: Prinzentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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was sie meint. »Na, Vio ist doch immer so schräg drauf. Vielleicht hat sich Kai Sorgen gemacht und wollte sie testen.«
    Jetzt bin ich völlig platt. Der verhasste Stiefvater soll sich Sorgen gemacht haben? Was ist denn plötzlich in Bernadette gefahren? Erst die Bemerkung mit der Beerdigung und jetzt das. »Wir sollten ihre Wohnung durchsuchen«, schlägt Bernadette vor und ihre Augen beginnen zu funkeln. Ich bin froh, dass sie diesen Vorschlag gemacht hat, tue aber so, als müsste ich darüber nachdenken, und nicke erst nach einiger Zeit zustimmend. »Worauf warten wir noch?« Bernadette trinkt den letzten Schluck aus ihrem Glas und stellt es mit einem Knall auf das Tablett. Jetzt wirkt sie nicht mehr niedergeschlagen und still, sondern ganz aufgekratzt. »Wie kommen wir denn überhaupt in ihre Wohnung rein?«, frage ich. »Na, das ist doch die leichteste Übung von allen.« Bernadette wedelt mit ihrem Schlüsselbund vor meinem Gesicht herum. »Mama hat dafür gesorgt, dass sämtliche Wohnungstüren mit dem gleichen Schlüssel aufgehen, weil sie es irgendwann leid war, dass wir alle naselang unsere Schlüssel verloren haben. Nur die Hausmeisterwohnung hat ein anderes Schloss.« Sie sagt es leichthin, aber mir läuft eine Gänsehaut über den Rücken, denn im Klartext bedeutet es, dass jeder der Familie in unsere Wohnung kommen kann. Jederzeit. »Und wenn Vio zu Hause ist?« »Die hat noch einen Vorstellungstermin für eine Daily Soap. Ihre einzige Sorge auf der Beerdigung war es, nicht zu spät zu kommen.« »Vio in einer Soap? Ich dachte, sie will unbedingt zum Theater?« »Das ist Quatsch. Vio will einfach nur berühmt werden, das ist alles. Dafür würde sie sogar töten...«
    Erschrocken hält Bernadette ihre Hand vor den Mund. »So hab ich das nicht gemeint.« »Ich verstehe schon.« Ich winke ab. Das ist das Dumme, wenn man erst einmal mit den Verdächtigungen anfängt. Mir geht es ja auch ständig so. Zusammen machen wir uns auf den Weg in die Wohnung unter uns. Mir wird mulmig, als wir Vios Apartment betreten. Zu jeder anderen Zeit hätte ich es vielleicht aufregend gefunden, Charlys Angel zu spielen, doch heute sieht das ganz anders aus. Vios Flur ist dunkellila gestrichen, weshalb mir die Wohnung kleiner vorkommt als unsere. Auf der Flurkommode steht eine türkis schimmernde Vase mit einer trompetenförmigen weißen Blume, ich glaube, man nennt sie Calla. Ich bin überrascht, wie ordentlich alles ist, irgendwie habe ich mir die Wohnung von Vio chaotischer vorgestellt, mit Klamotten, die überall herumgammeln, und jeder Menge schmutzigen Geschirrs. Aber auch in der Küche steht alles an seinem Platz. Keine Tasse, nicht einmal ein Löffel liegt in der polierten Spüle, der schwarze Tisch, auf dem nur eine leere silberne Obstschale steht, glänzt wie frisch poliert. »Und wie geht’s weiter?«, frage ich. »Wo sollen wir denn anfangen?« Bernadette verdreht die Augen. »Du willst doch wissen, was hinter all dem steckt, das dir passiert ist.« »Es tut mir leid. Aber kommt es dir nicht falsch vor, einfach in ihren Schubladen zu wühlen?« »Mach dir keinen Kopf. Ich bin ihre Schwester, da bleibt alles in der Familie.« Bernadette sieht sich in der Küche um. »Hier wird Vio bestimmt nichts Verdächtiges aufbewahren, ich meine, wer hebt denn schon so etwas wie Drogen in der Küche auf?« »Aber genauso ein Ort ist doch immer ein guter Platz. Kennst du diese Geschichte von Edgar Allan Poe, wo der gesuchte Brief ganz offen auf dem Schreibtisch liegt, weshalb ihn auch lange niemand findet.« »Meinst du damit . . .«, Bernadettes Grinsen wird bösartig, als sie zu den ordentlich aufgereihten Gewürzdosen auf dem Regal über dem Herd zeigt, ». . . dass wir uns die Zuckerdosen vornehmen sollen?« Ich weiß nicht, was es ist, aber etwas an Bernadettes Art reizt mich plötzlich. »Wahrscheinlich ist die Zuckerdose deiner Schwester leer, weil sie nie welchen verwendet. Sie macht doch ständig Diät.« Bernadette durchquert kommentarlos die Küche und geht durch das Wohnzimmer, das grau und rosa gestrichen ist. Hier gruppieren sich riesige schwarze Ledersessel um einen niedrigen Tisch, aber Bernadette stürmt gleich weiter bis zum Schlafzimmer. Ich folge ihr, aber je länger ich in dieser Wohnung bin, desto unwohler fühle ich mich. Alles ist derart unnatürlich aufgeräumt und so ausgesucht zusammengestellt, dass ich mir vorkomme wie in einem teuren Möbelhaus. Von dem wenigen Taschengeld, das Brigitte ihren

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