Prinzentod
ich . »Erklär es mir! Sag schon! « »Ich... « Bernadette marschiert wütend durch ihr Zimmer. »Du has t mich nur benutzt, hast dich wie eine Zecke in unsere Familie fallen lassen und saugst uns das Blut aus, zerstörst alles. « Ich starre auf den Boden . Was könnte ich antworten? Wie soll ich mich bloß rechtfertigen, wenn es in Wahrheit keine Rechtfertigung gibt ?
Bernadette setzt sich hin, steht wieder auf und bleibt mit verschränkten Armen vor mir stehen . »Rede! « Meine Augen füllen sich mit Tränen, aber ich will jetzt nich t heulen, schließlich habe ich mir das alles selbst eingebrockt . Ich schaue sie an, schlucke das Schluchzen in der Kehle hinunter, will mich räuspern . »Verdammt noch mal, jetzt rede endlich! « »Es tut mir so leid. Ich habe das nicht gewollt. « »Warum hast du es dann getan? « »Es war wie ein Rausch . . .«, stammele ich. »So etwas hab e ich noch nie erlebt. « »Mit Kai, ja?« Bernadette schüttelt den Kopf. »Mit diesem alten Sack? Meinem Stiefvater?« Die letzten Worte spuckt si e mir fast ins Gesicht . Ich kann wieder nur nicken. Aber dann auf einmal werde ic h wütend, ich stehe nicht vor Gericht und ich bin kein Monster. »Er war kein alter Sack und ich habe ihn geliebt. Das wa r vielleicht unmoralisch, aber meine Gefühle waren echt . Kannst du das nicht ein bisschen verstehen? Glaubst du, ic h hätte aus lauter Spaß riskiert, dich und deine Mutter zu verletzen? Glaubst du das wirklich von mir? « Bernadette setzt sich wieder, nimmt einen Eisbären auf de n Schoß und streichelt ihn geistesabwesend . »Raus«, sagt sie tonlos. »Bloß raus hier. Hau einfach ab. «
Ich weiß nicht, wie lange ich schon auf meinem Bett sitz e und die Wand anstarre. Ein paar Klamotten liegen verstreu t auf meinem Bett, ich habe einen Koffer aus dem Schrank gezogen, aber er ist leer. Mitten im Packen habe ich mutlos aufgegeben, ich weiß einfach nicht, wo ich hinsoll . Ich weiß nicht, was jetzt werden soll .
Plötzlich höre ich leise Schritte und ein Klopfen. Ich sehe hoch. Bernadette steht in der Tür. Ihr Gesicht sieht so erbärmlich aus, wie ich mich fühle. »Lissie, bleib bitte hier«, sagt sie. Sie ringt die dicklichen Hände. »Ich hab . . . ich hab nachgedacht. Und ich glaube inzwischen, dass du recht hast. Niemand tut so etwas extra.« Ihre Augen schimmern feucht. »Weißt du, mir geht es ja auch nicht um Kai. Kai ist mir eigentlich völlig egal. Mama nicht, aber Kai schon.« Sie schluckt hörbar. »Und du – du bist mir auch nicht egal. Aber du hast mich aus deinem Leben ausgesperrt. Ich glaube, das ist überhaupt das Allerschlimmste.« Jetzt weint sie tatsächlich. »Ich dachte, wir wären Freundinnen! Wie kann eine Freundin so etwas tun, ohne auch nur ein Wort zu sagen? Wer weiß, vielleicht hätte ich es sogar verstanden.« Ich springe vom Bett auf und gehe zu ihr. Sie wirkt nicht mehr wütend, sondern nur noch furchtbar verletzt. »Ich hätte dir so gern alles erzählt! Wirklich, glaube mir, ich wollte keine Geheimnisse vor dir haben, niemals. Ich hab es sogar ein paarmal versucht.« »Wie kann ich dir je wieder vertrauen?« »Ich werde mir dein Vertrauen verdienen, ich werde darum kämpfen.« Sie mustert mich skeptisch. »Doch! Ich beweise es dir.« Und dann bricht es wie eine Lawine aus mir heraus und ich erzähle ihr alles, was passiert ist. Während ich ihr vom T-Shirt bis zum Drogencheckgerät jedes Detail erzähle, entspannt sie sich etwas, und als ich fertig bin, dreht sie eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger. »Bernadette, bitte verzeih mir«, sage ich, als ich geendet ha be. »Hilf mir, diese Sache durchzustehen. Ich brauche dich. Und glaub mir, dass ich dir nie, nie, nie wehtun wollte.« Sie räuspert sich. »Ich verzeihe dir. Aber vergeben? Ich glaube nicht, dass ich schon so weit bin. Kannst du das verstehen?« Mir fallen Tonnen von Bergen von der Brust, am liebsten würde ich sie umarmen, aber ich traue mich nicht. »Bernadette, du bist so großartig. Ich verspreche dir, ich werde alles wiedergutmachen.« Sie zuckt mit den Schultern, dann geht sie einen Schritt auf mich zu und legt unbeholfen einen Arm um mich. So stehen wir schweigend beieinander, als eine Stimme von der Terrasse ertönt. »Was für ein herziges Idyll!« Wir fahren auseinander, als hätten wir etwas Verbotenes getan. »Wo kommst du denn her?«, fragt Bernadette. Nico steht auf dem Balkon, und weil die Sonne ihn direkt von hinten anstrahlt, sieht er für uns aus wie ein Schattenriss.
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