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Prinzentod

Prinzentod

Titel: Prinzentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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mir alle Kommentare und frage sie nur danach, warum sie sich denn überhaupt mit diesem Typen eingelassen hat. Und auch noch das Zeug für ihn aufbewahrt. Sie starrt mich mit weit aufgerissenen Augen an. »Das fragst du noch? Mit dem Taschengeld, das Mama uns gibt, kann man nicht leben! Ich brauchte Geld und glaub mir, der zahlt gut dafür, dass er meine Wohnung ab und zu als Zwischenlager benutzt. Okay, anfangs hab ich auch was davon genommen, aber nachdem Kai mich erwischt hat, musste ich es lassen.« Bernadette räuspert sich. »Und du hast dir nie Gedanken gemacht, was du da tust?«, fragt sie ungläubig. »Was, wenn die auf dich gekommen wären und eine Razzia gemacht hätten?« Wieder lacht Violetta abfällig. »Hey Kleine, jetzt tu mal nicht so, als ob ich Mitglied der Mafia wäre. Für so wenig Stoff machen die Bullen bestimmt keine Razzia. Das ist doch nur ein harmloser kleiner Dealer.« »Harmlos?« Ich frage mich, ob sie das wirklich glaubt. Ihre spöttischen Augen richten sich auf mich. »Du redest schon wie Mr Moralinsauer persönlich: Kai Keilmann. Das muss ja wahre Liebe gewesen sein.« »Der dich immerhin von dem Zeug weggebracht hat«, schreie ich los. Ich hab genug von diesen Sprüchen, ich lass das, was ich mit Kai hatte, nicht in den Dreck ziehen. Vio nickt, aber äußerst widerwillig. »Ja, der edle Ritter hat die elende Vio aus der Gosse zu sich ans Licht gezerrt.« Am liebsten würde ich ihr eine runterhauen, aber ich kann mich gerade noch zusammennehmen. »Erpresst hat er mich«, sagt sie und ballt die Hände zur Faust. »Er hat mich gezwungen, einmal in der Woche diesen Test zu machen, sonst würde er Mama davon erzählen.« Bernadette mischt sich ein. »Und die hätte sofort deinen Schauspielunterricht gestrichen. Wenn wir mit Drogen rum-machen, dann haben wir die Konsequenzen zu tragen, das hat Mama uns immer eingebläut.« Ihre Stimme klingt triumphierend.
    Ich schüttele den Kopf. Ich verstehe einfach nicht, was mit diesen Geschwistern los ist. Warum helfen sie sich nicht gegenseitig? Warum sind sie so gemein zueinander? Geld. Es ging also um Geld... Plötzlich fallen mir die Medikamente in Violettas Schrank ein und das vermischt sich mit den Fotos von ihrem Vater, die ich in den Zeitungen gesehen habe. Über ein Jahr hat man nichts von der Familie gehört und dann diese Gerüchte über Drogen und Alkoholexzesse. »Was haben die Pillen in deinem Schrank zu bedeuten?«, frage ich deshalb. Vio drückt ihre Zigarette heftig aus, springt auf und stürzt sich wieder auf Bernadette. »Du hast dich nicht entblödet, Fremde in mein Badezimmer zu schleppen? Schreckst du eigentlich vor gar nichts zurück?« Bernadette bleibt ganz ruhig. »Doch, Vio, doch. Ich nehme zum Beispiel keine Drogen. Und mit Dealern lasse ich mich auch nicht ein.« »Heuchlerin!« Vio wendet sich mir zu, jetzt ist sie fuchsteufelswild. »Weißt du eigentlich, warum Bernadette keine Freundinnen hat außer dir?«, schreit sie. »Weil niemand etwas mit einer gemeinen fetten Kuh zu tun haben will. Und wenn du glaubst, Bernadette war glücklich, als du hier eingezogen bist, liegst du völlig richtig. Aber weißt du auch, warum? Nicht nur, weil sie endlich eine Freundin hat, nein. Sie war glücklich, weil sie so die volle Kontrolle über dich hat. Hast du dich noch nie gewundert, warum hier nie jemand für dich anruft? Ich kann’s dir sagen. Weil unsere liebe Bernadette hier . . .«, Vio malt zwei dicke Anführungszeichen in die Luft, ». . . vergisst, es dir zu sagen. Und falls es dir entgangen sein sollte, dass sie jede deiner E-Mails gelesen hat, dann bist du noch dümmer, als ich dachte!« Vio lacht ein übertriebenes Bühnenlachen, als wäre sie die böse Königin, die sich gerade daran weidet, wie Schneewittchen vor ihr zusammengebrochen ist. »Das war’s von meiner Seite. Ich gehe jetzt und bis heute Abend will ich meinen Stoff zurück, sonst...«Sie zögert. Bernadette hat sich wieder gefangen. »Was sonst?« Vio schlendert zur Tür, wirft mir einen langen Blick über die Schulter zu, ein Blick, unter dem ich anfange zu frösteln, und sagt leichthin: »Sonst werdet ihr es bereuen.« »Vergiss es!« Bernadette tippt sich mit dem Finger an die Stirn. Violetta macht auf dem Absatz kehrt und verlässt die Wohnung. Wir bleiben schweigend zurück, das Schweigen breitet sich immer weiter aus, verdichtet sich zu Isolierglas, das sich zwischen uns schiebt. Wie sehr wünsche ich mir Papa her. Wir haben mit unserer

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