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Prinzentod

Prinzentod

Titel: Prinzentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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Wohnungsentscheidung einen schrecklichen Fehler gemacht. Was haben wir schon über die Keilmanns gewusst, bevor ich hier eingezogen bin? Es hätte mir schon zu denken geben sollen, als Nico nie zu sich nach Hause gehen wollte. »Vio lügt, wenn sie den Mund aufmacht.« Bernadette klingt heiser, als sie das Schweigen endlich bricht. Aber der Gedanke hat sich bereits in mir festgesetzt. Es stimmt, seit ich hier wohne, hat niemand angerufen. Und es ist mir nicht einmal aufgefallen. Ist das vielleicht der Grund, warum Tabea so furchtbar sauer auf mich war? Vielleicht hat sie sogar versucht, mich zu erreichen? Oder ist das Ganze nur eine gewaltige Lüge, mit der Vio einen Keil zwischen uns treiben will, als Rache dafür, dass wir ihr den Stoff weggenommen haben?
    Wenn Bernadette wirklich alle meine Mails angeschaut hat, dann hätte sie von Kai und mir gewusst. Denn auch wenn er sich »Dein Prinz« genannt hat, hätte sie blöd sein müssen, um nicht zu merken, wer B und V und N sind. Mir wird übel, wenn ich daran denke, dass sie all seine romantischen Gedanken gelesen haben könnte. Bernadette steht auf. »Vio lügt«, sagt sie noch einmal und schaut mich unsicher an. »Du glaubst mir doch, oder?« Ich zögere, doch dann denke ich daran, was gestern zwischen uns vorgefallen ist, und ich reiße mich zusammen. »Natürlich glaub ich dir.« Ich gehe in die Küche und trinke ein Glas Wasser. Mein Mund ist noch immer trocken. Bernadette ist mir gefolgt. »Schläfst du heute wieder hier oben?«, frage ich möglichst beiläufig. Bernadette nickt. »Ich hab Mama nur versprochen, dass wir zusammen kochen. Eigentlich wollten wir essen gehen, aber Mama hat Angst, dass die Journalisten uns wieder auflauern.« Sie sucht nach ihrem Schlüssel und wendet sich dann zur Tür. »Aber spätestens um elf bin ich wieder hier. Bist du da noch wach?« Ich nicke. »Hey, keine Sorge«, sagt sie beruhigend. »Es wird nichts passieren, okay?«

23. Kapitel
    N achdem Violetta und Bernadette die Wohnung verlassen haben, reiße ich alle Fenster und Türen weit auf. Unruhig tigere ich durch das Apartment und kann nirgends bleiben. Es ist, als würde mein Kopf Achterbahn fahren, während meine Beine Bodenhaftung behalten müssen. Am liebsten würde ich sofort meine E-Mails überprüfen, ob jemand Fremdes sie gelesen hat. Doch ich habe keine Ahnung, wie man herausfinden kann, wie oft die Mails geöffnet wurden. Außerdem habe ich insgeheim Angst davor, was ich noch so alles in meinem Postfach finden könnte. Schließlich rufe ich Tabea an, aber es meldet sich niemand auf ihrem Handy. Auch bei Papa versuche ich es noch einmal. Als ich wieder keinen Anschluss bekomme, probiere ich es bei der Charterfirma, bei der er angestellt ist, und sie finden für mich heraus, dass sein Schiff tatsächlich durch einen Sturm ohne Funkverbindung ist. Wenn es um Leben oder Tod ginge, könnte man eine Nachricht übermitteln, bietet die freundliche Dame am anderen Ende an, und als sie das sagt, muss ich mich schwer zusammenreißen. Sie weiß gar nicht, wie recht sie hat. Aber natürlich lehne ich ihr Angebot ab, was soll ich auch anderes tun. Nachdem ich aufgelegt habe, halte ich es in der Wohnung nicht länger aus. Ich packe mein Handy und meine Umhängetasche. Kaum bin ich aus der Tür getreten, höre ich aus dem Garten hinter dem Haus ein herzzerreißendes Schluchzen, so ein Schluchzen, bei dem man nicht mehr atmet, sondern nur noch weint und dann so plötzlich nach Luft schnappen muss, dass es einen schüttelt.
    Vorsichtig schaue ich um die Ecke. Das ist Brigitte, denke ich schuldbewusst. Brigitte, die endlich richtig um ihren Mann trauert, jetzt, wo die Beerdigung vorbei ist und der ganze Stress von ihr abfällt. Doch ich täusche mich. An den Baumstamm der dicken Linde gelehnt sitzt Nico. Sein Gesicht ist vom Weinen geschwollen und rot. Ich überlege gerade, ob ich zu ihm gehen soll, da kommt Bernadette mit einem Glas um die Ecke. Sie beugt sich zu ihm und redet so lange auf ihn ein, bis er etwas davon getrunken hat und ruhiger wird. Ich komme mir vor wie ein Voyeur und schleiche mich, so leise es geht, wieder hoch. Weil ich nicht weiß, was ich mit mir anfangen soll, setze ich mich auf die Dachterrasse und beobachte den Sonnenuntergang oder vielmehr das, was man von ihm erspähen kann. Wenn ich mich weit über die Brüstung beuge, sehe ich, wie sich hinter der Bavaria der Himmel rot verfärbt. Der Himmel wird ständig dunkler, sodass die Wolken aussehen wie große

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