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Prinzentod

Prinzentod

Titel: Prinzentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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einem einzigen Tropfe n Wachs, einem einzigen Meteor .
    Lissie, lies genau: Jemand ohne Gesicht stand da und erwartete uns . Dieser Jemand bin ich . Kai habe ich schon getroffen . Jetzt erwarte ich dich .
    PS: Auch der nächste Schmonzes mit dem Lachen war vo n Neruda geklaut und auch da hat er dir die – mich sehr star k inspirierende – interessante mittlere Strophe vorenthalten :
    Meine Liebe auch in de r dunkelsten Stunde lass dei n Lachen aufsprühn, und siehst d u plötzlich mein Blut als Pfütz e auf den Steinen der Straße , so lache, denn dein Lache n wird meinen Händen wie ei n frisch erglänzendes Schwert sein .
    Ich lese noch mal und noch mal und noch mal. Und noch einmal. Es ist, als ob ich in dem Moment gefangen bin, einfach erstarrt, kann mich nicht rühren, nur meine Augen bewegen sich noch. Unfassbar, so unfassbar. Ich spüre nichts, nicht mal Angst, nur dieses Gefühl, als sei ich plötzlich zu Stein geworden. Das ist alles nicht wahr. Komischerweise ist es nicht die unverhüllte Drohung am Ende der Mail, die mich bis ins Mark trifft, nein, es ist diese Gemeinheit, mit der mir Kais Worte genommen werden, sie als mieser Bluff, nein nicht Bluff, sondern als Betrug entlarvt werden. Das ist durchtränkt von Gift und soll auch das Letzte zerstören, das mir geblieben ist. Ich versuche aufzustehen, ich fühle mich ganz wackelig, gehe zu meinem Festnetz-Telefon, um Papa anzurufen. Mit bebenden Fingern tippe ich die Nummer des Schiffes ein und lausche. Die gleiche Ansage wie vorhin. Zurzeit ist leider keine Verbindung möglich. Ich lasse mich auf den Boden sinken und rufe Nonna in Padua an, ich muss einfach ihre freundliche Stimme hören, irgendjemand, bei dem die Welt noch in Ordnung ist. Das Telefon wird sofort abgenommen, aber es ist nicht Oma, die dran ist, sondern ihre Schwester Stella, meine Großtante, die es eilig hat, weil sie ins Krankenhaus muss. Oma ist beim Hühnerfüttern gestolpert, vor drei Tagen schon, und hat sich den Oberschenkelhalsknochen gebrochen. In ihrem schnellen, aufgeregten Italienisch fragt mich Tante Stella, warum ich erst jetzt zurückrufe, wo sie doch schon dreimal auf meinen Anrufbeantworter gesprochen hat.
    Ich stammele ein paar Ausreden, verspreche, sofort bei Non - na im Krankenhaus anzurufen, und schaffe es gerade noch , den Hörer aufzulegen . Auf meinem Anrufbeantworter war keine Nachricht . Mir ist kalt, obwohl im Zimmer bestimmt fünfundzwanzi g Grad sind . So kalt . Ich schleppe mich in das Badezimmer, um den Kimono au s der Maschine zu holen, vielleicht weil ich Wärme brauch e oder vielleicht weil es das Letzte ist, was mir von Kai geblieben ist . Als der Deckel des Topladers aufspringt, riecht es merkwürdig, dann, als ich die innere Trommel öffne, schlägt mir ei n metallisch süßlicher Geruch entgegen . Ich halte mich an der Maschine fest und schaue hinein .
    Und siehst du plötzlich mein Blut als Pfütze...
    Der Toplader ist bis oben hin mit einer roten, klebrigen Flüssigkeit gefüllt . Und mittendrin schwimmt Kais Kimono .
    Ich muss ihn retten. Das ist alles, woran ich in diesem Moment denken kann. Wenigstens den Kimono muss ich retten , wenn ich Kai schon nicht helfen konnte . Ich greife in die eklige rote Masse, die in der Waschmaschin e schwimmt, und zerre den Kimono heraus. Es riecht so, das s es mich würgt, Tränen laufen mir übers Gesicht, ich zitter e am ganzen Körper. Der Kimono ist viel schwerer, als ic h dachte, er rutscht mir aus der Hand, platscht auf die weiße n Fliesen, rot, so rot . Ich sehe Kai vor mir, wie er über dem Rand der Badewann e gelegen hat, da war nirgends Blut und jetzt ist hier so vie l davon .
    Wo kommt all das Blut her? Eine Sekunde lange denke ich daran, mir den Kimono, so wie er ist, anzuziehen, gerade erst recht, niemand, niemand wird mir auch noch das nehmen. Doch schon als ich die Ärmel packe, muss ich wieder derart würgen, dass ich es kaum zum Klo schaffe, aber es kommt nichts, nur saure Galle. Flüchtig schießt mir durch den Kopf, dass ich kaum etwas gegessen habe, seit Kai tot ist, ich habe einfach keinen Hunger mehr. Ich drücke die Spülung, dann erst sehe ich, was ich getan habe. Überall sind Blutspuren, von meinen Händen tropft das Blut, auf meinem Shirt sind Blutspritzer, alles so, als wäre ich eine Mörderin. Ich sinke auf den Fliesenboden und kauere mich zusammen, starre den blutigen Klumpen an, der mal Kais Kimono war, und mein einziger Gedanke ist: raus hier. Doch ich kann nicht aufstehen, mein

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