Prinzentod
Körper ist wie Gummi, das Einzige, was unerbittlich funktioniert, ist mein Herz. Der Puls wummert gegen meine Schläfen und hält mich bei Bewusstsein, dabei würde ich am liebsten ohnmächtig werden und erst wieder zu mir kommen, wenn dieser Albtraum vorbei ist. Plötzlich klingt es so, als würde sich unter das Wummern noch ein anderes Geräusch legen, ganz leise. Ich halte den Atem an, um besser hören zu können, da ist es wieder, jemand schleicht durch die Wohnung. Ich bleibe sitzen. Kai ist tot. Ich bin am Ende. Was kann denn noch Schlimmeres passieren?
24. Blog
Okay, manchmal ist es wirklich unglaublich, wie eine Scheiße zur nächsten führt. Man denkt, es kann nicht mehr übler werden, doch dann passiert es. Kann es etwas Schlimmeres geben als Betrug? Zu erwarten, man selbst wäre davor gefeit, zu einem feigen, verlogenen Nichts zu werden wie alle anderen, ist zwar vermessen, auf mich aber trifft es zu. Und wie ungeheuerlich ist es dann zu erkennen, dass man mich im völlig Ungewissen ließ, mir sogar die Wahrheit verwehrte! Die Frage für mich kann also nur lauten: Habe ich bislang die richtigen Konsequenzen gezogen? Wenn man einem Baum die Wurzeln kappt, dann hat er keine Wahl. Er muss sterben. Oder? Fragt Z
25. Kapitel
D ie Schritte nähern sich der Tür. Dort verharren sie. Das Licht! Ich beiße die Zähne zusammen. Bestimmt kann man den Schein durch den Türspalt sehen. Ich weiß nicht, ob ich mich ganz klein machen soll, damit mich niemand findet. Soll ich um Hilfe rufen oder einfach nur hoffen, dass derjenige wieder verschwindet, ohne mich in diesem Zustand gesehen zu haben? Es ist gespenstisch still. Und dann wird die Tür quälend langsam geöffnet. »Du?« Violetta sieht mich mit weit aufgerissenen Augen an. »Mein Gott, du wimmerst wie ein junger Welpe, dem sie die Mutter weggenommen haben.« Mir war nicht klar, dass ich überhaupt einen Laut von mir gegeben habe, ich dachte, ich hätte sogar die Luft angehalten. Ich kann nur müde mit den Achseln zucken. »Was ist hier passiert? Wolltest du dich etwa...«Vio atmet tief ein und kommt langsam näher, sorgsam darauf bedacht, nicht in die Blutspuren am Boden zu treten. Sie geht neben mir in die Hocke, zögert einen Moment, dann legt sie ihren Arm um mich. »Hey, hey . . .«, flüstert sie und drückt mich dann an ihre knochige Brust. Ich lasse es geschehen, fühle nur ihre Wärme, rieche ihr merkwürdig süßlich-holziges Parfüm, das mir hilft, den Blutgeruch auszublenden. Sie nimmt meine Arme, dreht behutsam die Handgelenke zu sich und seufzt erleichtert auf. »Woher kommt denn das ganze Blut? Du bist ja gar nicht verletzt.« »Waschmaschine«, will ich sagen, aber es kommt nur ein Krächzen heraus. Sie lässt mich los, steht wieder auf, nimmt ein Handtuch aus dem Regal und hält es unter kaltes Wasser. Dann beugt sie sich zu mir und drückt es in meine blutigen Hände. »Hier.« Danach will sie wieder wissen, was passiert ist. Während ich mir Satz um Satz abringe, nimmt sie Kais Kimono und wirft ihn in die Badewanne, holt aus dem Flurschrank einen Schrubber und Putzlumpen, füllt Wasser in einen Eimer und beginnt ganz selbstverständlich, die Schweinerei wegzuwischen. Ab und zu schüttelt sie den Kopf, aber sie sagt nichts, bis ich fertig bin. »Das gefällt mir gar nicht. Überhaupt nicht.« Ich spare es mir, ihr zuzustimmen. »Wo ist denn Bernadette? Schläft sie heute wieder unten?« Ich zucke mit den Schultern, ich habe keine Ahnung. Wollte sie nicht mit Brigitte und Nico essen? Mir fällt Nico wieder ein, wie er weinend an der Linde hockt, es erscheint mir weit weg, als wäre es schon Jahre her, dabei sind es nicht mal ein paar Stunden. »Am besten bleibe ich heute Nacht hier«, entscheidet Violetta. »Oder willst du mit zu mir kommen?« Ich weiß nicht, was schlimmer ist, Vios klinische Wohnung oder diese hier. Andererseits ist mein Zimmer der einzige Raum, in dem ich mich wenigstens etwas zu Hause fühle. »Bleib bitte hier.« Violetta wringt den Putzlappen aus, der Boden ist blitzblank gewischt. »Gut. Ich werde in Bernadettes Zimmer schlafen. Falls das kleine Miststück auftaucht, mach ich mich aber wieder vom Acker, darauf kannst du Gift nehmen.« Ich nicke nur stumm. Sie schaut in die Waschmaschine, wirft angewidert den Deckel zu und schaltet die Maschine ein. »Du solltest duschen. Ich warte auf der Terrasse, ja?« Als sie sieht, dass ich keinerlei Anstalten mache, dreht sie den Wasserhahn an der Dusche auf, nimmt ein frisches
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