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Prinzentod

Prinzentod

Titel: Prinzentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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Spazierengehen. Wenn Papa das hören könnte, würde er sich freuen, denn er liebt Spaziergänge. Wenn er früher versucht hat, mich zum Mitkommen zu bewegen, musste er mich schon mit einem lohnenswerten Ziel locken: ein See mit Enten, ein Spielplatz mit Schaukeln oder eine Eisdiele. Eigentlich bin ich schon fast an der Tür, aber jetzt drehe ich um und versuche, Papa anzurufen. Eigentlich glaube ich nicht mehr daran, ihn zu erreichen, aber diesmal habe ich Glück. Die Verbindung klappt und er ist sogar gleich dran. »Wie geht’s dir?«, fragen wir gleichzeitig und müssen lachen und gleichzeitig fast weinen, ich ebenso wie Papa, der nahe am Wasser gebaut ist. »Meine Principessa«, sagt er. »Ich habe dich so vermisst. Und ich bin fast durchgedreht vor Sorge! Ich habe deine SMS bekommen, aber wir sind erst heute Morgen aus diesem verflixten Sturm herausgekommen. Sogar die Route mussten wir ändern. Was ist denn bloß passiert? Geht es dir gut, meine Kleine?« Als ich seine Stimme höre, so liebevoll und besorgt, wird mir plötzlich klar, dass ich mir die ganze Zeit etwas vorgemacht habe. Wie habe ich mir einbilden können, dass ich es fertigbringen würde, Papa am Telefon alles zu erzählen? Er würde verrückt werden, weil er so weit entfernt von mir ist und mir nicht helfen kann. »Alles nicht so schlimm«, bringe ich tapfer hervor. »Lissie!« Ich höre sein Schmunzeln in der Stimme. »Du redest mit mir. Deinem Papa. Ich höre doch, dass etwas nicht stimmt. Kannst du es mir nicht sagen?«
    Ich schüttele den Kopf, obwohl er mich nicht sieht. »Wirklich«, beharre ich. »Mach dir keine Sorgen. Ich habe nur solche Sehnsucht nach dir.« Und das ist bestimmt nicht gelogen. »Ich doch auch, meine Süße! Und deswegen sage ich dir auch, was wir dagegen tun.« Seine Stimme platzt vor Stolz. »Ich habe Urlaub genommen und gerade einen Flug gebucht. Wir gehen morgen in Antigua an Land. In zwei Tagen bin ich bei dir.« Jetzt fange ich wirklich an zu weinen, diesmal vor Erleichterung. Er wird kommen, Papa wird kommen! Und dann wird alles gut. Allein seine Stimme zu hören ist wie ein warmes Bad für meine Seele. »Ich bin froh, dass du kommst, Papa, so froh«, stoße ich hervor, als ich mich wieder gefasst habe. Und bevor er noch mehr Fragen stellen kann, berichte ich ihm hastig von Tante Stellas Anruf und Nonnas Oberschenkelhalsbruch. Papa verspricht, sich sofort bei meiner Großmutter zu melden, damit sie sich keine Sorgen macht, und dann erzählt er mir noch ein bisschen vom Bordleben, offenbar will er mich unbedingt aufmuntern. Ein miesmuffeliger Feinschmecker-Kritiker macht ihm das Leben zur Hölle. Er ist kurz vor dem Sturm an Bord gegangen und hat den ganzen Tag nichts Besseres zu tun, als seine Seekrankheit auf Papas Carpaccio zu schieben. Als mein Vater sich von mir verabschiedet und »ich vermisse dich, meine kleine Principessa Elisa« sagt, schnürt es mir die Kehle zu und ich bin stolz auf mich, weil ich es schaffe, mich trotzdem mit fester Stimme zu verabschieden. Doch dann muss ich einfach nur raus hier. Ich schnappe mir eine Einkaufstasche, renne die Treppen hinunter und treffe Nico, der mich mal wieder ignoriert, was mir recht ist, weil es mir immer noch so unangenehm ist, in welcher Situation ich ihn gestern beobachtet habe. Ich überquere den Bavariaring und laufe zum Supermarkt an der Ecke. Es hat zwar aufgehört zu regnen, aber dafür kommen von Westen her dicke schwarze Wolken. Die Luft ist schwer von Feuchtigkeit. Vielleicht liegt mir aber auch all das, was ich herausgefunden habe, auf der Brust. Wenn ich mal so richtig überlege, weiß ich eigentlich sehr wenig. Wie man es dreht und wendet, Kais Tod bleibt so lange ein Unfall, bis ich das Gegenteil bewiesen habe. Fest stehen nur all diese Gemeinheiten, die sich gegen mich richten, von denen ich nicht weiß, warum und wieso jemand mir das antut. Seit heute Nacht bin ich mir fast sicher, dass Violetta mit der Sache nichts zu tun hat. Sie hat ganz andere Probleme. Sie war zwar in Kais Wohnung, aber ich glaube nicht, dass sie diese Fotos gemacht hat. Nein, Vio braucht Geld, aber mehr steckt nicht dahinter. Es sei denn, sie braucht sehr viel mehr Geld, als ich mir vorstellen kann. Aber diese Worte in der Dusche, das rosa T-Shirt, die zerstörte Mail, spricht das nicht alles eine andere Sprache: Eifersucht, Bosheit... Hass. Nico? Klar, das wäre eine Möglichkeit. Nico war schon immer merkwürdig und er hat Kai verabscheut, so viel steht fest. Aber traue

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