Prinzessin meines Herzens
würde sie niemals allein öffnen können. Sie trat vor ihn und dreht ihm den Rücken zu.
Als Lily seine großen, feingliedrigen Hände auf ihren bloßen Schultern spürte, überlief sie ein wohliger Schauer. Dabei ging ihr Puls so schnell, dass Nico ihn bestimmt am Hals schlagen sehen konnte. Sie sagte nichts und bemerkte nicht einmal, dass sie den Atem angehalten hatte. Als seine Finger ihren Nacken berührten, seufzte sie unwillkürlich auf.
„So“, meinte er, während er sich an dem Verschluss zu schaffen machte. „Das ist unsere Hochzeitsnacht, cara. Was sollen wir zuerst tun?“
„T…T… Tun?“, stammelte sie und bekam ganz weiche Knie.
„Si. Da gäbe es verschiedene Möglichkeiten.“ Zärtlich küsste er ihren Nacken. „Oder sollen wir gleich ins Bett gehen?“
5. KAPITEL
Obwohl direkt vor ihm eine schöne Frau stand, war Nico in Gedanken woanders.
Am Nachmittag hatte er das Kindermädchen mit seinem Kind spielen sehen. Es war ihm vorgekommen, als wäre er plötzlich auf einem anderen Stern. Er, Nico Cavelli, war Vater eines Sohnes. Irgendwie machte ihm das Angst. Zum ersten Mal seit Gaetanos Tod wollte er seinen Verpflichtungen entsagen. Am liebsten wollte er seinem Land den Rücken kehren und wieder das sorgenfreie Leben eines begehrten Junggesellen führen.
Ein Leben, dessen Regeln er kannte. Das uneheliche Kind des Fürsten zu sein hatte früher auch Vorteile gehabt: Niemand hatte Erwartungen an ihn gestellt. Niemand hatte ihn gedrängt, eine Ehe einzugehen oder einen Erben zu zeugen. Er hatte ausschweifend gelebt – und dabei immer darauf geachtet, die Aufmerksamkeit von Gaetano abzulenken. Tiziana hatte ihm das übel genommen, doch Gaetano war ihm dankbar gewesen. Sein Bruder war nicht fürs Rampenlicht gemacht gewesen; er hatte Angst vor einer arrangierten Ehe gehabt.
Schmerzerfüllt dachte Nico an den Abend zurück, an dem Gaetano über die Klippe gefahren war. Er hatte seinen Bruder vorher ermahnt, dass er sich endlich wie ein Mann verhalten sollte. Dass er seine Plicht tun und ein für alle Mal aufhören sollte, sich vor dem Urteil der Öffentlichkeit zu fürchten. Seit dem schrecklichen Unfall bedauerte Nico, dass er nicht mitfühlender gewesen war und Gaetano nicht besser zugehört hatte. Denn im Grunde war ihm klar, weshalb sein Bruder den Freitod gewählt hatte.
Nico richtete seine Aufmerksamkeit jetzt wieder auf die Frau, die vor ihm stand. Ihre cremefarbene Haut schimmerte im sanften Schein des Kronleuchters. Sie hielt noch immer den Kopf geneigt, damit er ihr die Halskette abnehmen konnte. Er musste sich auf sie konzentrieren und die schmerzhaften Erinnerungen beiseiteschieben. Sie hatte ihm einen Sohn geschenkt, der nun den Namen Cavelli tragen würde. Inzwischen war sie auch seine Ehefrau – und sein Sohn brauchte einen Bruder!
„Basta“, murmelte Nico und drehte Lily zu sich herum. Dann schloss er sie in die Arme und küsste sie stürmisch. Er würde sich ein paar Stunden Frieden gönnen.
Bevor Lily einen klaren Gedanken fassen konnte, gab sie sich auch schon voll und ganz Nicos spontanen Zärtlichkeiten hin. Der Kuss war noch hundertmal intensiver als der im Flugzeug.
Vor zwei Jahren hatte er sie genauso geküsst – mit demselben unstillbaren Feuer. Eigentlich hätte sie ihm widerstehen müssen, doch das wollte sie gar nicht. Sie wollte sich in seinen Liebkosungen verlieren. Sie wollte all das wieder spüren, was sie damals empfunden hatte. Seit ihrer ersten und einzigen Nacht mit Nico war sie nicht mehr mit einem Mann zusammen gewesen.
Lily war zwar verärgert über die Umstände, die sie in diese Ehe getrieben hatten. Dennoch war es mehr als nur körperliches Verlangen, das Nico ihre Nähe suchen ließ. Das spürte Lily deutlich. Seit er ihr von seiner traurigen Kindheit erzählt hatte, war sie hin- und hergerissen. War das sein Ziel gewesen? Ihr Mitleid zu erregen?
Sie wusste es nicht, und irgendwie war es ihr auch egal. In diesem Moment zählte nur, dass er sie in seinen Armen hielt und sie innig küsste.
Als er sie enger an sich zog, schmiegte sie sich an ihn. Es war fast so, als wären sie schon eins. Unwillkürlich erzitterte Lily. Es bestand kein Zweifel daran, was Nico vorhatte. Sie fand es aufregend, den Mann zu küssen, mit dem sie ein Kind hatte. Er war ein Prinz, und sie war ein Mädchen aus dem Armenviertel der Stadt. Doch ihre unterschiedliche Herkunft schien keine Rolle zu spielen.
Sie wollte ihn – und dabei hätte sie ihn eigentlich
Weitere Kostenlose Bücher