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Prinzessinnensöckchen (German Edition)

Prinzessinnensöckchen (German Edition)

Titel: Prinzessinnensöckchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Benedikt
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hast dir die Beine rasiert.«
    Es war also ein Fehler gewesen, heute Morgen den schwarzen Rock anzuziehen.
    »Falsch, Schätzchen. Nicht rasiert. Heißes Wachs.«
    Die Kuchengabel in Melittas Hand hielt knapp vor den Lippen inne. »Ach herrje! So schlimm? Kein Kerl ist das wert.«
    Das Café »Alt-Oberwied« hatte tatsächlich wieder geöffnet. Die Frau hinter der Kuchentheke und die Bedienung trugen schwarz, beide Ende dreißig, Anfang vierzig, und sicher keine von ihnen die trauernde Witwe. Konnte man auch verstehen, selbst wenn es mit der Liebe nicht mehr weit her gewesen sein dürfte.
    Das Interieur hatte sich nicht verändert. Immer noch ein Anflug von Nostalgie, dunkle, wuchtige Tische und Stühle, schwere Vorhänge an den Fenstern, dezente und sehr altmodische Musik im Hintergrund. Und jeder Platz besetzt. Der Tod war halt immer gut fürs Geschäft.
    »Nett hier«, sagte Melitta und schaute sich um. »Wenn ich mir mal einen gutsituierten und noch einigermaßen knackigen Rentner aufreißen will, weiß ich ja jetzt, wo ich hingehen muss.«
    So schnell würde das nicht passieren, dachte Carmen. Ihre Freundin war wieder wie aus dem Ei gepellt, schickes schwarzes Samtjäckchen über der weißen Rüschenbluse, natürlich die passende Hose, auch Samt, weiße Söckchen, aber bestimmt ohne Prinzessinnenkrone, elegante Pumps, selbstverständlich auch schwarz.
    »Hast du heute frei? Olaf?«, fragte Carmen. Melitta arbeitete für eine Marketingfirma und war seit einem knappen halben Jahr mit einem Kollegen, Olaf, liiert, netter Kerl. Ein wenig farblos, aber für die Farbe war Melitta zuständig, wenn sie auch kleidungsmäßig gerade drauf verzichtete.
    »Ja, freier Tag«, bestätigte Melitta, »muss auch mal sein. Olaf ist zum Meeting nach Hamburg gejettet, Großkunde, Kaffeebranche, kennst du bestimmt, den Spot. Olaf hat das getextet.« Sagte sie voller Stolz und sah Carmen neugierig an. »Bei dir so? Max? Immer noch Funkstille oder endgültig in die Wüste geschickt? Für wen dann dieses grausige Ding mit dem heißen Wachs? Rasierst du dich jetzt ÜBERALL so?«
    Normalerweise war das der Zeitpunkt, um in die alten Teenagergewohnheiten zurückzufallen, sich eindeutig Zweideutiges über Männer zuzuprusten, über die zuverlässigsten Strategien, Jungs zu becircen - oder einfach nur noch einmal sechzehn zu sein, voller Ideale und Kleiderschränke, Ängste und Hoffnungen.
    Aber nein, heute verspürte Carmen keine Lust zum Smalltalk. Sie ließ Melitta ausführlich über ein paar Intrigen und Affären im Büro erzählen, nickte an den hoffentlich richtigen Stellen oder zeigte mit einem »Ach ja!« oder »Wirklich?«, dass sie im Augenblick nichts mehr interessierte als das, was der Art Director und die Praktikantin auf dem Fotokopierer trieben. Ihre Gedanken waren woanders, bei zwei Mädchen, die nicht vor zehn Jahren, sondern jetzt sechzehn waren und von denen zumindest die eine Angst hatte, panisch war. Ihren Nachnamen kannte sie: »Schmitz« hatte auf dem Briefkasten neben dem Tor gestanden. Ein unauffälliges Einfamilienhaus wie alle anderen hier auch, ein gepflegter Vorgarten.
    Während sie an das Mädchen dachte, beobachtete sie das Treiben im Café. Nichts Außergewöhnliches, selbst der mürrische Blick der Frau hinter der Kuchentheke passte irgendwie zur Stimmung. Kaffeetanten, registrierte Carmen. Hier hockten gerade an die zwanzig ältliche Kaffeetanten und tauschten Kochrezepte aus. Nein, hinten am Ecktisch saß ein jüngeres Paar – kurz vor sechzig – und schwieg sich kuchenkauend an.
    »... ich denk noch, hey, wenn das seine Frau erfährt, kann er sich schon mal nach ein paar neuen Zähnen umsehen, also... sag mal, hörst du mir eigentlich zu?«
    »Was ist los? – Ja klar doch, du brauchst neue Zähne. Wieso eigentlich? Sind doch noch prima in Schuss, deine.«
    Melitta widmete ihr einen langen forschenden Blick. »Also, wie heißt er, was macht er, wo wohnt er, wie ist er so im Bett?« Den letzten Teil des Satzes hatte sie so laut gesprochen, dass die gerade vorbeieilende Kellnerin große Augen machte und zu Carmen hinüber schielte.
    Zwei – natürlich ältere – Damen, die ihren Tisch ansteuerten und artig fragten, ob hier noch frei sei, ersparten ihr die Peinlichkeit einer ausführlichen Antwort. Carmen schenkte Melitta ein ebenso viel- wie nichtssagendes Lächeln, erklärte den Damen, selbstverständlich sei hier noch frei, und trank einen großen Schluck Kaffee. Melitta musterte sie weiterhin und

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