Prinzessinnensöckchen (German Edition)
schüttelte den Kopf.
»Hat es hier vor ein paar Tagen nicht einen Mord gegeben?«, fragte Carmen nun ihre Freundin. Okay, das war jetzt wieder ein Spielchen und sie schämte sich auch wirklich dafür. Melitta merkte aber sofort interessiert auf und sagte: »Ach ja, stimmt, der Mann in der Hütte.«
Die beiden älteren Damen am Tisch nickten synchron und eine von ihnen flüsterte, nachdem sie sich nach allen Seiten umgeschaut hatte: »Der Besitzer von hier! Der Rainer Pohland!« Melitta entfuhr ein »Huch!« und bekam dafür, von beiden Frauen abwechselnd vorgetragen, eine Kurzzusammenfassung der Tatumstände serviert. »Und dann haben die heute geöffnet? Arbeitet die Witwe auch gerade?«
»Geschäft geht halt vor«, flüsterte eine der beiden Damen – sie war etwas korpulenter als die andere – und fügte hinzu: »Wo sonst nichts mehr läuft, da muss wenigstens das Geschäft laufen.« Die andere Dame zwinkerte den Freundinnen dabei unterstreichend zu.
Aber nein, die Kati sei heute nicht im Café. Einen Rest Anstand musste man sogar von ihr erwarten, trotz allem, was dieser Kerl... Die Damen verstummten verlegen. Wäre auch unzumutbar. Sie könnten sich sowieso nicht erklären, warum die Elke, die Frau hinter der Kuchentheke, noch hier arbeite. »Nachdem wie die das mit dem Rainer gehabt hat, rausgeschmissen hätte ich die an Katis Stelle, aber prompt und hochkant.«
Aha, daher die schlechte Laune. »Man munkelt ja«, munkelte die nicht ganz so Korpulente, »dass die Kleine von der Elke gar nicht von ihrem Mann ist, sondern vom Rainer. Sie gleicht ihm jedenfalls. Das arme Kind. Aber die Kati ist immer schon viel zu gutmütig gewesen, rausgeschmissen hätte ich den Kerl. So war er immer die Freundlichkeit in Person. Also im Geschäft jetzt.«
»Puh«, stöhnte Melitta, als sie den kurzen Weg zum Parkplatz gingen, »dagegen ist ja unsere Firma der reinste Ponyhof.« Wieder musterte sie Carmen. »Und du rufst mich die nächsten Tage an und erzählst mir ALLES! Keine Widerrede!«
Sie war zum Haus der Familie Schmitz gefahren, worin das Mädchen verschwunden war. Parkte den Wagen so, dass man ihn von den Fenstern aus sehen konnte. Riskant. Was, wenn das Mädchen oder ihre Eltern die Polizei riefen? Aber das glaubte Carmen nicht. Sie lehnte sich zurück, schloss die Augen für einen Moment und überlegte, ob es vertretbar sei, dem Mädchen noch mehr Angst zu machen als es sowieso schon hatte. Oder war die Kleine einfach so? Ein ängstlicher Typ mit einer Fremdenphobie? In dem Alter war nichts wirklich überraschend, alles verworren, alles noch unsortiert. Gerade bei Mädchen. Sie war sehr hübsch, hatte bestimmt einen Freund oder wenigstens Verehrer. Und wenn sie einen psychischen Knack hatte? Carmen sich völlig verspekulierte und einem kranken Mädchen zusetzte? Sie mochte sich nicht sehr, als sie so dachte und nickte. Vergiss das Ganze. Fahr heim, ruf Kevin an, bring die Sache endlich ins Rollen oder vergiss sie. Lass dich weiterhin von Köhler anblöken oder schmeiß den ganzen Krempel hin, such dir was Vernünftiges, verdiene endlich richtig Geld, häng dich rein. Sie startete den Wagen, schaute in den Rückspiegel. Und sah sie.
Man konnte sie nicht übersehen. Auffallend groß, mindestens 1,75, auffallend blond, auffallend schlank, überhaupt: auffallend schön. Auch wenn sie noch gut dreißig Meter entfernt war und den Kopf leicht gesenkt hielt, konnte man doch erkennen, dass sie sich sorgfältig geschminkt hatte, ihre von Natur aus großen Augen und den wohlgeformten Mund extra betonte, Wert auf schicke Kleidung legte und das schwarze Minikleidchen, die knallroten Leggins und die gelben High Heels wie eine Frau trug, die weiß, was sie damit unter Männern anrichten kann.
Carmen schaltete den Motor aus und starrte weiter in den Rückspiegel. Das Mädchen öffnete das Tor, schwebte auf ihren hohen Haken zur Tür und klingelte. Wartete, klingelte ein zweites Mal. Die Tür wurde endlich geöffnet, der Kopf des anderen Mädchens war für einen Moment zu sehen, er blickte zu Carmens Auto, sagte etwas, die Blonde drehte sich um und schaute ebenfalls in die Richtung. Dann schlüpfte sie schnell ins Haus, die Tür fiel zu. Sie hatten Carmen gesehen. Gut so. Sie startete den Wagen erneut und fuhr davon.
10
Hanna reinlegen? Da musste man früh aufstehen. So eine Bullentussie schon gar nicht. Wenn die überhaupt eine war. Durften die das denn? Jungen Mädchen hinterher schlappen? Wusste sie jetzt nicht. Egal.
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