Prinzessinnensöckchen (German Edition)
Stunde Zeit und hab mir gedacht, ob wir vielleicht ein Bier... oder guckst du gerade fern?«
Es stellte sich heraus, dass Kevin bis zum nächsten Bus sogar noch zwei Stunden Zeit hatte. Er war in Uniform und sah müde aus. »In Uniform darf ich kostenlos Bus fahren«, sagte er und gähnte. Sie fragte ihn nach seinem Tag, er fragte sie nach ihrem Tag. »Nichts Besonderes«, log Carmen, »und bei dir so? Der Mordfall?«
Mit dem habe er ja nichts zu tun, sei nur ein kleines Lichtchen bei der Trachtentruppe. »Mein Onkel hilft mir halt manchmal, aber will ich eigentlich gar nicht, aus eigener Kraft wär mir lieber.« »Und auch Mordkommission?«, fragte Carmen. Kevins Kopf schwankte hin und her. Wisse er noch nicht so genau. »Eigentlich schon. Wollte ich schon als Kind. Na ja, wer will nicht als Kind Mörder jagen.«
Sie, wollte Carmen antworten, unterließ es aber. Sonst hätte sie ihm auch gestehen müssen, dass sie als Kind am liebsten Stewardess oder Friseuse geworden wäre. »Aber dein Onkel erzählt dir schon, was so der aktuelle Stand ist, oder?« Er sah sie misstrauisch an, lächelte dann aber. »Sag mal, du willst mich jetzt aber nicht aushorchen, oder? Und dann was für deine Zeitung schreiben?«
Sie fand es sehr nett von ihm, dass er das Blättchen »Zeitung« genannt hatte. Auf diese Idee wäre nicht einmal Köhler persönlich gekommen. Natürlich setzte sie ihren Um-Himmelswillen-nein-Blick auf und hob abwehrend die Hände. »Nein! Ich schwöre dir, dass ich nichts darüber schreiben werde. Es interessiert mich eben. Schließlich bin ich nicht jeden Tag in der Nähe eines Tatorts.«
Die Ermittlungen seien noch nicht entscheidend weitergekommen. »Es gibt einen Pfad von der Straße zur Hütte, den hat der Besitzer immer benutzt, wenn er zur Jagd ist, was aber in letzter Zeit kaum noch vorkam. Die Spurensicherung hat festgestellt, dass der Weg regelmäßig benutzt wurde. Ziemlich ausgetreten, ziemlich frisch alles. Und von der Hütte muss vor kurzem jemand Richtung Straße gerannt sein. Quer durch den Wald, sie haben ein blutiges Taschentuch gefunden.«
»Und noch keine heiße Spur? Pohland soll ja nicht sonderlich beliebt gewesen sein.« Kevin lachte. »Du bist ja gut informiert. Recherchierst du etwa? Und du willst wirklich nichts darüber schreiben?« Sie beantwortete die Fragen nicht, sondern hob ihr leeres Glas in Richtung Theke.
Das tat sie noch zwei Mal, aber nur noch für Apfelsaftschorle. Natürlich würde sie Kevin heim nach Oberwied fahren, obwohl er so tat, als wehre er sich mit Händen und Füßen dagegen. Es wurde eine ruhige Fahrt, sie waren beide müde. Immerhin wusste sie jetzt, wo er wohnte. Reihenhaus, auch ganz normal, zum Verwechseln dem ähnlich, in dem das Mädchen wohnte.
»Ist ja nur zwei Straßen von dem Haus entfernt, ich dem ich zur Untermiete war. Dass man sich da nie über den Weg gelaufen ist...«
Er habe sie ein paar Mal beim Einkaufen im Supermarkt gesehen, gestand Kevin. »Ich dachte, holla, die ist aber nicht von hier. Keine Freunde gehabt in Oberwied?«
»Nee... nur flüchtige Bekannte. Die Frau Schmitz...« Warum sagte sie das jetzt? Sie fühlte sich gerade so, das war Grund genug.
»Ach, die Louise Schmitz? Kennst du? Nette Frau. Seit sie geschieden ist, lebt sie ja ein bisschen zurückgezogen mit der Emily. Auch nettes Mädchen. Bisschen schüchtern.«
Emily.
*
Da stand der Wagen wieder! Ihr wurde heiß und kalt. Den ganzen Mittag hatte sie sich abzulenken versucht, mit Hanna telefoniert, die ihr eingeschärft hatte, sich sofort zu melden, wenn die Frau ihr auflauerte oder sonst wie lästig wurde. Würde sie gleich tun. Schon wieder zog sich Emilys Magen zusammen. Ihrer Mutter war es beim Essen auch aufgefallen, nichts hatte sie runtergebracht. »Du bist wohl noch im Wachstum, in deinem Alter ist mir auch ständig schlecht gewesen.«
Sie drückte Hannas Nummer. Die brauchte eine Zeit, bis sie ran ging, klang auch irgendwie komisch, aufgekratzt und müde, beides gleichzeitig irgendwie. »Okay«, sagte sie nur und: »Keine Angst, Schatzi, das kriegen wir schon geregelt.«
*
Emily. Im Haus brannte Licht, unten wie oben. Oben am Fenster war gerade ein Schatten hinter der Gardine erschienen, nur kurz. Bestimmt war sie das. Emily. Irgendetwas musste geschehen. Sie musste mit ihr reden. Nicht mit dieser anderen, der Blonden, das war ein härterer Brocken. Carmen döste ein wenig. Und fluchte, als sie auf die Uhr sah. Fast eine Stunde hatte sie vor dem Haus
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