Prinzessinnensöckchen (German Edition)
feuchten Film überzogen war und die Wunde auf der Stirn wieder zu brennen begonnen hatte.
Ein Motor wurde gestartet, ganz in der Nähe, sicher direkt vor dem Haus. Emily begann zu weinen. Leise, dann immer lauter, aber nicht zu laut, um ihre Mutter zu wecken. Die Frau, dachte sie, das war die Frau. Immer diese verdammte Frau!
*
Auf der Heimfahrt war sie ganz ruhig, schläfrig. Sie erinnerte sich daran, dass Maximilians Fünf-Uhr-SMS ausgeblieben war und Kevin erzählt hatte, die Söckchen in Pohlands Schrank seien sämtlich getragen worden, aber bestimmt nicht häufig. Man habe Hautschuppen und andere Gebrauchsspuren gefunden. Ob Pohland selbst...? Sie kannte sich mit Söckchenfetischisten nicht aus, ihr war noch keiner über den Weg gelaufen. Emily und das große blonde Mädchen. Mit einem Schlag war Carmen hellwach.
Missbrauch, wer wusste wie lange schon. Dieses fette alte Schwein, das seine perversen Triebe nicht unter Kontrolle hatte. Seine Wurstfinger über die Mädchenhaut streichen ließ, die alarmierend großporig und kalt unter den ekelhaften Berührungen zuckte. Diese geifernde Fresse, die sie grinsend aufforderte, Prinzessinnensöckchen anzuziehen und sonst nichts. Das stellte sich Carmen vor.
Sie war froh, als sie daheim war, die Tür hinter sich schließen, die viel zu engen Pumps, das hübsche blaue Kleid abstreifen konnte. Sie betrachtete sich im Spiegel, eine Frau in sorgsam ausgesuchter, aber nicht zum Einsatz gekommener Unterwäsche, barfuß. Sie runzelte die Stirn. Wer war das?
13
Es duftete nach allem, was man sich ersehnte, egal ob einem die Waage wieder einmal unerbittlich ein schlechtes Gewissen eingeredet hatte oder nicht. Nach Schokolade, erstarrendem Teig, an dessen Außenseite sich eine knusprige Kruste bildete, Gewürzen und geschlagener Sahne, diversen Früchten, Erdbeeren vor allem, und sogar ein wenig nach süßem Likör, der wohl für die Damentorte vorgesehen war. Eine Spezialität des Hauses, wie Carmen dem Plakat neben dem Eingang des Cafés entnommen hatte. Mandarinensahne mit einem Schuss des passenden Likörs, eine dünne Schokoglasur, Mandarinen- und Kiwischeibchen zum Garnieren. Der Gedanke, hier arbeiten zu dürfen, gefiel ihr immer besser. Sie las den Zettel, der neben dem Plakat hing. »Freundliche Mitarbeiterin ab sofort gesucht « . Freundlich konnte sie sein, wenn sie sich anstrengte.
Im Café hockten ein halbes Dutzend Gäste beim Frühstück. Sofort bekam Carmen Appetit auf Brötchen mit Käse und Marmelade, weiche Eier im Glas und noch warme Croissants. Sie war schon kurz nach sechs aufgestanden, hatte wenig geschlafen und vor acht bei Kati Pohland angerufen, um sich für die Stelle zu bewerben. Eine dunkle, etwas spröde Stimme hatte sie freundlich und bestimmt ausgefragt, sich nach Berufserfahrungen erkundigt. Sie habe während des Studiums in Studentenkneipen gejobbt, sagte Carmen wahrheitsgemäß, Frau Pohland reagierte mit einem »Oh « . Studentin? Diplom? Carmen wand sich, erzählte von ihrem Intermezzo bei dem Anzeigenblättchen, sprach von beruflicher und privater Neuorientierung, davon, dass sie nicht vorhabe, den Job im Café auf ewig zu machen, aber ein halbes Jahr doch, vielleicht ein ganzes.
»Ist mir recht « , sagte Kati Pohland schließlich, »man findet auf die Schnelle sowieso keine guten Leute und so habe ich wenigstens etwas Luft, jemand Festes zu suchen. Ein halbes Jahr sollte es aber schon sein. Können Sie gleich vorbeikommen? «
Da war sie nun. Die Bedienung wies ihr den Weg ins Büro, Eingang links, zweite Tür, und folgte ihr mit dem taxierenden und misstrauischen Blick der zukünftigen Kollegin. »Herein « , sagte die tiefe Stimme und Carmen trat ein.
Kati Pohland, die sich jetzt hinter dem Schreibtisch aufrichtete, war eine Frau, die zu ihrer Stimme passte. Etwas herb im Gesicht, aber nicht hässlich, die Figur so, wie man sich mit Anfang fünfzig nicht beklagen konnte. Sie trug ein dezentes graues Kostüm, schlicht, klassisch eben, die Haare waren mittellang, die grauen Strähnen gewollt und passend im Dunkelbraun.
»Mein herzliches Beileid « , begann Carmen, »ich habe gehört, dass...« Kati Pohland winkte ab und wies auf den Stuhl ihr gegenüber auf der anderen Seite des Schreibtisches. »Sie werden es sowieso bald erfahren, dass meine Ehe nicht gerade glücklich war und sich meine Trauer überblicken lässt. Ich ersticke in Arbeit und weiß nicht, wo ich anfangen soll, alles muss geregelt werden, ich muss mich in
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