Prinzessinnensöckchen (German Edition)
mehr oder gerade noch.
Es war komisch sich vorzustellen, dass zwischen diesen Füßen in den Söckchen und dem Rest ihres Körpers zehn lange Jahre lagen. Zwei Welten, die nichts miteinander zu tun hatten. Wie hatte sie mit sechzehn getickt? Wie eine Uhr, die darauf wartete, endlich klingeln zu dürfen. Ja, kein schlechter Vergleich. Etwas, das sie aufwecken würde. Pläne hatte sie, reichlich sogar! Sie stand auch nicht mehr mit dem Maßband vor dem Spiegel und ermittelte ihren Brustumfang, die Akne hatte sie weitgehend verschont, der erste Freund, mit dem es ernst werden würde, wartete bereits. Ein schönes, ein schlimmes Alter. Man war so mutig und zugleich so ängstlich. Das Leben wartete auf einen, das wusste man – und im gleichen Moment fürchtete man sich, das Leben würde einen abweisen, am Rand einsortieren, dort wo die Mauerblümchen vor sich hin wuchsen und unbemerkt verkümmerten.
Ob Emily gerade Ähnliches durchmachte? Musste wohl. Sogar ihre Freundin, die clevere Hanna, davon war Carmen überzeugt. Alles nur Fassade. Von dieser Sorte hatte sie selbst einige gekannt, krachend lustige Girlies, die sich um nichts scherten, oder arrogante Zicken, die sich für den Nabel der Welt hielten. Bis etwas passierte, das sie aus der Bahn warf. Die Scheidung der Eltern, die Trennung vom ersten Freund, manchmal gar nur Kleinigkeiten.
Carmen zog die Söckchen aus und legte sie sorgfältig zusammen. Noch einmal sechzehn sein? Lieber nicht. Und in zehn Jahren? Würde sie bei dem Gedanken, noch einmal sechsundzwanzig zu sein, schaudern und sich erinnern, wie dreckig es ihr damals gegangen war. Hallo? Ging es ihr dreckig? Sie hatte keinen Job mehr, dafür eine Aufgabe. Ein netter junger Mann war aufgetaucht, etwas Spannendes schien sich zu entwickeln. Sie war gesund und hungrig. Es war an der Zeit, sich über den Räucherlachs herzumachen.
Als sie die letzte dünne Scheibe schmatzend mit den Zähnen bearbeitete, meldete sich das Handy. Köhler? Nein, Kevin. Sie schluckte den Lachs hektisch hinunter und säuselte »Jaaa?«.
12
Jungchen hatte sturmfrei, Mama war zum Kegeln. Er trug eine ihrer Küchenschürzen, als er die Tür öffnete, wurde sofort wieder rot und rief, bevor er sich umdrehte und weglief, » Sorry, ich muss nach der Pasta gucken. « Es versprach ein spannender Abend zu werden.
Aber kochen konnte Kevin ganz ordentlich. Schweinegeschnetzeltes mit Bandnudeln und grünem Salat, eine pikante Sahnesoße, Rotwein. Hatte er etwas vor? Kam wohl drauf an, wann Mama vom Kegeln zurückkommen würde.
»Hast du übrigens gewusst « , sagte er kauend, »dass alle 12 Söckchenpaare, die man bei Pohland im Schrank gefunden hat, in zwei bestimmten Geschäften in der Stadt gekauft wurden?« Sie antwortete, ebenfalls kauend: »Nein, woher soll ICH das denn wissen?« »Ich dachte ja nur, weil du äh recherchierst.« Darauf gab sie keine Antwort, es wäre sowieso eine Lüge gewesen. Dafür hätte sie ihm die Namen der beiden Läden nennen können. »Ah ja. Und die Polizei klappert nun sämtliche Kundinnen und Kunden ab? Viel Spaß. «
Kevin schüttelte den Kopf. »Noch muss man in unserem Land nicht den Personalausweis vorzeigen, wenn man sich Socken kauft. Mein Onkel geht davon aus, dass Pohland das übrigens selbst gemacht hat. Irgend so ein Fetisch. Er hat auch sein Bild in den Geschäften vorgezeigt, aber ohne eindeutiges Ergebnis. Man glaubt gar nicht, wie viele ältere Herrschaften Mädchensöckchen kaufen. «
Glaubte man wirklich nicht. Sie nahmen ihre Gläser und prosteten sich zu. »Schmeckt's?« fragte er und wartete nicht auf ihre Antwort. »Auf dich. Oder... ich meine... ich weiß ja jetzt auch nicht... auf uns?« Sie gab ihm auch keine Antwort. Beugte sich über den Tisch, schloss die Augen und wartete, bis auch er sich über den Tisch beugen und seine Augen schließen würde. Gott sei Dank war es kein besonders breiter Tisch.
Dass weiter nicht viel passierte, lag nur an ihm. Und daran, dass er dauernd nervös auf seine Uhr sah, als sie nebeneinander auf den Sofa saßen, er seinen Arm um ihre Schulter gelegt, seinen Mund in ihrem Haar oder abwechselnd in ihrem Haar, an ihrem Ohr, auf ihrem Mund. Mama, dachte Carmen und grinste in sich hinein.
»Ich hab heute übrigens meinen Job geschmissen « , teilte sie ihm mit (er knabberte gerade an ihrem Ohr, was nicht unangenehm war). Er hörte auf zu knabbern und sagte »Hm, dann geh doch zur Polizei. Gehobener Dienst, mit deinem Studium sogar höherer Dienst
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