Prinzessinnensöckchen (German Edition)
möglich.« »Ist das dein Ernst?« fragte sie.
Es war sein Ernst. Wenigstens schilderte er ihr nicht in allen Details die Wonnen der sicheren Beamtenlaufbahn. Carmen schüttelte skeptisch den Kopf. »Nicht so meins, glaub ich.« »Und was machst du dann?« Er konnte sich anscheinend ein Leben ohne Job nicht vorstellen. Carmen schon, aber ein Leben ohne Geld wollte sie sich lieber nicht ausmalen. »Weißt nicht « , antwortete sie schulterzuckend.
Kevin lachte. »Im Alt-Oberwied ist ne Stelle frei geworden. Die Kati Pohland hat der Elke gekündigt. Wurde auch Zeit. Aber weißt du bestimmt schon.« Er lachte noch lauter. Carmen sagte »Aha« und stand auf, als Kevin wieder auf die Uhr schaute, diesmal ziemlich nervös.
*
Ein Geräusch hatte sie geweckt. Diesmal war es kein Steinchen gegen die Fensterscheibe gewesen, es hörte sich an wie Papier, das knisterte. Und es war in Emilys Zimmer, nicht draußen.
Der Gedanke, es könnte eine Maus sein, die über den Boden huschte und dabei ein Geräusch hinterließ, hätte Emily noch vor wenigen Tagen in Angst und Schrecken versetzt. Jetzt hoffte sie, es sei eine Maus. Oder die Mutter? Die auf Zehenspitzen ins Zimmer geschlichen kam, um frische Wäsche in den Kleiderschrank zu legen? Nein, das tat sie nie. Warum auch. Emily hatte genug frische Wäsche im Schrank. Aber das Geräusch kam von dort her und es war ein anderes Geräusch geworden. Jemand öffnete langsam und sehr vorsichtig den Kleiderschrank. Und das war bestimmt keine Maus.
*
Im Wagen vor dem Haus von Louise Schmitz und ihrer Tochter Emily zu sitzen, wurde allmählich zur Gewohnheit. Carmen hatte es nicht vorgehabt, sie wollte gleich nach Hause, aber sie war zu aufgeregt gewesen, sie brauchte einen ruhigen Ort, selbst zur Ruhe zu kommen. Es gibt Tage, an denen Weichen für das weitere Leben gestellt werden, und das heute war wohl so ein Tag gewesen.
Das Haus lag im spärlichen Licht des Halbmondes vor ihr. Sie hatte Kevin gerade noch rechtzeitig verlassen, ohne auf seine Mutter zu treffen. Als sie schon in ihrem Wagen saß, die Hand am Zündschlüssel hatte, war ein großes weißes Auto vorgefahren und eine gemütliche Frau von entsprechenden Proportionen ausgestiegen. Das Haar dauergewellt, die Füße noch in schreiend gelben Bowlingschuhen, die nicht zum geblümten Kleid passten. Der Gedanke, zu dieser Frau einmal Schwiegermutter sagen zu müssen, war natürlich unsinnig und Carmen schüttelte resolut den Kopf. Ein leichter Anfall von kitschiger Romantik.
Aber ein Weichenstellertag. Sie fröstelte, was nicht nur daran lag, dass es empfindlich kühl geworden war. Sie blickte zu dem Fenster hoch, hinter dem Emily schlief. Na ja, glaubte sie zumindest, dass dies ihr Zimmer war. Etwas bewegte sich da hinter den Büschen an der Hausecke. Der Schatten eines Tieres, eines großen Tieres. Für einen Moment hielt Carmen die Luft an, spürte ein unangenehmes Kribbeln auf ihrem Rücken. Sicher eine optische Täuschung, so groß war doch in dieser Gegend kein Tier, das nachts durch die Gärten streifte. Oder vielleicht doch. Ein streunender Hund, gar ein Reh aus dem nahen Wald auf Futtersuche. Der Schatten war so schnell verschwunden wie er gekommen war.
*
Emily versuchte regelmäßig zu atmen. Wer auch immer in ihrem Zimmer war und sich an ihrem Kleiderschrank zu schaffen machte, durfte nicht merken, dass sie wach war. Tief ein- und ausatmen; das sagte sich so leicht, wenn einem das Herz bis zum Hals schlug. Insgeheim hoffte sie zu träumen. Ob es half sich einzureden, sie schlafe ja nur? Würde sie davon wach werden? Sie versuchte es, aber es half nichts. Die Tür ihres Kleiderschranks wurde ebenso langsam und leise geschlossen, wie sie geöffnet worden war. Dann wieder die Schritte wie auf Zehenspitzen. Jetzt hörten sie auf, es war ganz still bis auf Emilys Atmen. Regelmäßig, Emily, gleichmäßig ein und aus.
Und wenn es doch nur die Mutter war? Natürlich, wer sonst. Hanna konnte es nicht sein. Also Mum, konnte nicht anders sein. Jetzt setzten die Schritte wieder ein, die Tür wurde geöffnet, wurde geschlossen. Wenn es schon kein Traum ist, hoffte Emily, dann werde ich jetzt einschlafen. Ich muss jetzt einschlafen. Und morgen erwachen und mir sagen, dass alles nur ein Traum war. Aber ich werde meinen Kleiderschrank öffnen müssen.
Sie begann hektisch zu atmen, ungleichmäßig, sie verspürte Hustenreiz, sie schluckte hastig, einmal, zweimal, sie registrierte, dass ihr ganzer Körper von einem
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