Prinzessinnensöckchen (German Edition)
»Woher weißt du...« – »Weil ich dich inzwischen ganz gut kenne, glaube ich. Du wärst eine prima Polizistin, das Feuer hast du jedenfalls. Aber sei vorsichtig.«
Carmen war etwas enttäuscht, dass er die Sache so locker, fast sportlich nahm, sie nicht wenigstens eindringlicher ermahnt hatte, vorsichtig zu sein, kein Risiko einzugehen. Er glaubte nicht, dass sie auch nur irgendetwas herausfinden würde, dabei wusste sie schon wesentlich mehr als die Polizei. Die Mädchen. Sie waren der Schlüssel.
Der Schmerz in ihren Beinen ließ langsam nach. Und natürlich würde sie sich nicht bei Köhler melden. Ihr neuer Job war dem alten in allen Punkten überlegen, mehr noch: Es gab etwas, das ihr Köhler niemals hätte bieten können, selbst wenn er es gewollt hätte. Dass sie sich von den unverkauften Resten des Kuchenangebots aussuchen und mit nach Hause nehmen durfte, was und wie viel sie wollte. Und sie hatte gewollt. Auf dem Küchentisch stand ein mächtiges süßes Paket und wartete darauf, an Carmens Hüften und Oberschenkeln, vor allem aber an ihrem Hintern eine neue und bleibende Heimat zu finden. Sie seufzte. Man musste Opfer bringen.
*
Mann, Mann, Mann, diese Zeitverschwendung! Und sie sollte sich dieses Zeug wirklich alles reinballern? Hatte sie überhaupt keinen Bock drauf, würde sie doch in ihrem Leben nicht mehr brauchen. Wie hieß der Spruch? Brave Mädchen kommen in den Himmel, böse Mädchen... haben ein dickes Bankkonto. Genau so.
Emily, die Nuss, hatte ihr Handy noch immer im Tiefschlaf. Nicht gut. Sie würde nach der Schule gleich bei ihr vorbeigehen und fragen, was denn los war. Nervte sie alles voll. Dass die Zeit nicht verging, das kindische Geschwätz der Klassenkameradinnen, die zotigen Witzchen der Jungs, diesen Pickelmaschinen, gegen Mittag der Fraß in der Schulkantine und sogar als die letzte Stunde vorüber war, konnte sie sich nicht freuen, denn in Geschichte hatte sie gerade eine Fünf im Empfang genommen, auch noch die einzige in der Klasse. Geschichte! Sie würde selber welche machen, wenigstens für sich.
Sie trödelte zur Haltestelle. Aha, Handy. Emily? Nein, ER. Sie zischte ihm ein »Ja« zur Begrüßung, hörte zu. Er war aufgeregt, erzählte viel mehr als sonst. Sie sagte »hm, hm« und dachte »Na so was«. Kapierte sie jetzt nicht. Was sollte das?
Der Bus kroch heute auch wieder. Es war fast drei, als sie vor dem Haus stand und klingelte und es war überraschender Weise Emilys Mutter, die ihr die Tür öffnete. Die arbeitete doch sonst immer um diese Zeit. »Emi da?« Die Mutter sah sie feindselig an, nickte dann. Sie mochte sie nicht. Schlechter Umgang, sagte sie, aber wenigstens hier setzte sich Emily durch. »Emily ist krank, sie kann keinen Besuch empfangen. Der Arzt war heute Morgen da, nachher kommt er noch mal. Ich werd ihr ausrichten, dass du da warst.« Und knallte ihr die Tür vor der Nase zu, die Schlampe.
Zu Hause knallte sie sich aufs Bett, steckte die Stöpsel in die Ohren, dröhnte sich mit Gossip zu. Hey, die Dicke! Coole Sau, obwohl sie so fett war. Diese andere Sache. Mal drüber nachdenken... Tat sie eine Weile, aber sie kriegte einfach keinen Plan. Die Frau wurde ihr unheimlich, es musste etwas passieren.
*
Ein Steinchen. Emily hörte das Geräusch wie durch Watte. Sie kicherte. Ob das auch wieder die Maus war? Die Maus, die gestern Nacht durch ihr Zimmer getrippelt war, den Kleiderschrank öffnete, hinein sprang, direkt auf die Socken – und dann starb? Die Maus, die Emily heute Morgen, als sie mit größtem Widerwillen ihren Kleiderschrank auf machte, dort fand?
Nein, Mäuse warfen keine Steinchen an Fensterscheiben. Gut, sie öffneten auch keine Kleiderschränke, um darin zu sterben. Und schon gar nicht legen sie sich, wenn sie tot sind, auf kleine Zettel, auf denen »Die kleine Maus ist tot« steht.
Was Emily dann getan hatte, würde sie wohl nie begreifen. Mit der Linken griff sie in den Sockenhügel, auf dem die tote Maus thronte, brachte ihn zum Einsturz, so dass Socken und Maus aus dem Schrank fielen. Dann nahm sie den Zettel, der liegen geblieben war, und zerriss ihn in viele kleine Stücke. Dann stieß sie einen langen Schrei aus und fiel in Ohnmacht, das Handy, das sie, warum auch immer, in der Linken gehalten hatte, krachte schwer auf den Boden, etwas splitterte ab.
Als sie aufwachte, sah sie ihre Mutter über sich gebeugt, sie tätschelte Emilys Wange, sagte etwas Unverständliches. Sie versuchte aufzustehen, sie schaute sich
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