Prinzessinnensöckchen (German Edition)
kostete. Als sie das Geschäft verließ, war sie fröhlich und fühlte sich frei, irgendwie leer von allen Sorgen so wie ihr Portemonnaie von größeren Geldscheinen.
Wie sie in die Nähe von »Minnie's Trendshop« geriet, würde ihr auf ewig ein Rätsel bleiben. Die Verkäuferin von gestern bemühte sich um ein etwas aus den Fugen geratenes, auch nicht mehr ganz junges Mädchen und machte ihm einen Mini schmackhaft, der geschätzte drei Größen zu klein war. »Steht Ihnen priii-ma! Der macht auch richtig schlanke Beine!« Toll, dachte Carmen, es gibt tatsächlich noch peinlichere Jobs als meinen. Meinen Ex-Job, korrigierte sie sich und spürte einen leichten Schmerz im Hinterkopf.
Zehn Minuten später rieb sich die Verkäuferin – sie hatte natürlich eine neue Frisur, diesmal glatt und schwarz mit rotem Stirnreif – die Hände. Einen Mini an die Dicke verkauft und ein Paar Prinzessinnensöckchen an die Tussie von gestern. Die Tussie von gestern schleppte sich mit ihrer Beute und einer viel zu schweren Einkaufstasche nach Hause. Die Sachen auspacken und erst einmal ausruhen. Köhler hatte noch nicht angerufen, Kevin ebenfalls nicht.
*
Na endlich. Warten war nicht Hannas Ding, obwohl sie Zeit genug hatte. Irgendwie hätte sie die paar Stunden bis zum offiziellen Schulschluss ja doch herumbringen müssen, aber halt angenehmer. Ein bisschen shoppen und die Blicke der Männer genießen, die auf den elend langen blauen Strumpfhosen rauf und runter wanderten. Oder ein schickes Eis oder mal schnell in die Videothek, die neuesten DVDs checken. Irgend so was eben, nicht vor diesem tristen Mietshaus stehen und auf diese komische Tante warten.
Die kam vom Einkaufen. Sah man daran, wie sie sich abschleppte. Gar nicht mal so eine schlechte Optik für ne alte Frau. Hintern natürlich nicht okay, Beine zu kurz. Oberweite hingegen akzeptabel, aber oh Gott, die Klamotten! Das also war Carmen Witt, und was immer die auch war und was immer die von ihnen wollte: Polizei war die jedenfalls nicht, dafür hatte Hanna einen Blick.
Und dann erst die Schrottkiste! Hanna würde sich, wenn sie achtzehn war, dieses süße Cabrio kaufen, die Marke fiel ihr gerade nicht ein, das knallrote halt. Sie schaute sich nach allen Seiten um und ging einmal um das Wrack, sah sich noch einmal um, probierte an den Türen, doch die waren abgeschlossen. Hinter der Windschutzscheibe klemmte was. Parkscheibe? Nein. Stand auch was mit P drauf. Sie hielt eine Hand über die Augen und ging näher an das Glas. »Presse« stand auf dem Pappding. So, so, Presse. Scheiße.
Ob er eine Ahnung von Bremsschläuchen oder so was hatte? Traute sie ihm nicht zu. Wäre auch zu arg. Die sollte nur kapieren, dass man solche Spielchen mit Hanna nicht machen konnte, keiner konnte die machen. Weder ihre trübselige Mutter, die seit Tagen schlecht gelaunt war, noch ihr lascher Vater, der seit Jahren daheim hockte, wenn er wieder mal keine Arbeit hatte, Bier trank und Fußball guckte, sich mit seiner Frau herumstritt und irgendwelchen Scheiß in die Gegend schrie. Man konnte sich seine Eltern nicht aussuchen, schon klar. Aber wenn das möglich wäre, würde Hanna als erste davon Gebrauch machen.
Okay, sie hatte die Alte gesehen. Wusste wo sie wohnte und wo ihr Auto stand. Wenigstens die Reifen zerstechen, das konnte man von ihm doch erwarten. Bekäme auch seine Belohnung. Ohne Belohnung machen die eh nix für einen, das musste ihr niemand erzählen. Sie würde jetzt noch ein Eis essen gehen, hatte sie sich verdient, oder? Dann heimfahren, bisschen abchillen, rüber zu Emily gehen, die beruhigen. Sich in den Arm nehmen, drücken, die Haare aus den Gesichtern streichen, Küsschen auf die Stirne geben. Das mit dem Steinchen und das mit den Söckchen vor der Tür, das war er nicht gewesen. Brauchte sie ihn gar nicht unter Druck zu setzen, hätte sie eigentlich gleich wissen müssen. Brachte der einfach nicht. Also ein anderer. Ihr fiel bloß niemand ein und das beunruhigte sie.
*
Das waren sie also. Die Prinzessinnensöckchen, rosa, neue Lieferung, am Morgen eingetroffen. Carmen hatte ohne zu zögern ein Paar gekauft, nach dem Duschen angezogen. Sie hob das rechte Bein und begutachtete ihre Neuanschaffung. Was war daran so besonders? Gewöhnliche Jungmädchensöckchen, hübsch, aber auch kitschig, das Prinzessinnenklischee bedienend. Sie waren kaum knöchellang, in Ballerinas sahen sie nicht schlecht aus, lolitahaft irgendwie. Mit sechzehn trug man das eigentlich nicht
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