Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Prinzessinnensöckchen (German Edition)

Prinzessinnensöckchen (German Edition)

Titel: Prinzessinnensöckchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Benedikt
Vom Netzwerk:
geschlagene Stunde, was man in zwei Sätzen hätte formulieren und in die Redaktionen mailen können. Im übrigen waren es ganze drei Redaktionen, die für solche Post empfänglich waren: die Lokalausgabe der Tageszeitung, eine monatlich erscheinende Hochglanzbroschüre des Gewerbevereins mit einem Alibi-Nachrichtenteil zwischen den Auto- und Möbelanzeigen – und das Werbeblättchen, für das Carmen jetzt unterwegs war und ihren Wagen vor der schmucklosen Fassade des Diakonieheims abstellte. Wenn sie Pech hatte, waren ihre beiden Kollegen verhindert und sie die einzige »Pressevertreterin«. Wenn sie besonderes Pech hatte, waren beide anwesend und taten sich an den Freigetränken und den Snacks gütlich, die bei keiner dieser Pressekonferenzen fehlen durften.
    »Ach! Sie? Na so was!«
    Günther Wolff hatte sich in seinen besten Beerdigungsanzug geworfen, auf dem eindrucksvollen Kopf wuchs der graue Haarkranz frischgewaschen empor. Wolff musterte sie mit seinen kleinen Äuglein, sein Kehlkopf zuckte.
    »Tja«, erklärte sie ihm, »ich bin ja nebenher noch die Presse. Von einem Job kann man halt nicht leben.«
    Richtig, sagte er, wem erzähle sie das. Schlechte Menschen, schlechte Verhältnisse, schlechte Zeiten. Davon könne er ein Lied singen. Sie standen am Eingang des kleinen Sitzungssaals, in dem die Pressekonferenz angesetzt war. So klein er auch sein mochte, für das Ereignis war er entschieden zu groß. Auf dem Podium stand ein Tisch mit drei Stühlen, auf dem Tisch stand ein Mikrofon. Im Zuhörerraum drängten sich hingegen fünfzig Stühle und, gleich beim Eingang, ein Tischchen mit diversen Getränkeflaschen und Keksen. Wolff sah auf seine Uhr.
    »Sind ja noch zehn Minuten. Meine beiden Mitstreiter sind noch mal schnell aufs Klo – und ihre Kollegen kommen noch?« Carmen wollte ihm nicht das Herz brechen und versicherte, ein solches Event lasse man sich doch nicht entgehen. Er schaute sie zweifelnd an. »Kein schönes Thema, über das wir hier reden müssen. Spielsucht. Millionen trifft es, aber niemand spricht darüber. Also haben wir uns entschlossen, dieses Tabu zu brechen. Es kann alle treffen. Nicht nur die von Natur aus Schwachen oder die durch ein negatives Lebensereignis aus der Bahn Geworfenen. Nein, jeden und jede.«
    Es klang wie einstudiert und war es auch. Konnte sie dem Mann nicht verdenken. Der musste zwar nicht noch schnell vor lauter Nervosität aufs Klo, war aber gewiss kein Medienprofi.
    »Und gefällt es Ihnen sonst bei Kati? Oder nerven wir Gäste Sie?«
    Carmen versicherte ihm, es gefalle ihr prächtig und niemand nerve. Obwohl natürlich die Umstände... »Ach ja«, pflichtete ihr Wolff bei, »Pohlands Tod und jetzt auch noch der arme Joey... Um letzteren tut es mir wirklich leid. Bisschen phlegmatisch, der Junge, aber wer ist das in diesem Alter nicht.«
    »Und um Pohland tut es Ihnen nicht leid?«
    Er blieb stehen, zeigte zum Getränketisch und fragte, was er ihr bringen dürfe. Carmen entschied sich für Mineralwasser. Wolff servierte es ihr in einem Glas, auf dem »Bockbier« stand.
    »Nein. Schockiert Sie das? Pohlands Tod – ich habe beruflich viel mit dem Tod zu tun, ich habe gelernt ihn zu respektieren. Er macht alle gleich. Ist eine Binsenweisheit, aber nichtsdestotrotz eine Weisheit. Pohland hat mich, als ich Hilfe gebraucht hätte, schamlos missbraucht und noch tiefer in den Schlamassel gestürzt.«
    »Er und Völkert«, präzisierte Carmen.
    »Ich sehe, Sie wissen Bescheid. Ja, mag sein. Aber Völkert... wissen Sie, der Mann ist Banker, wahrscheinlich haben die so einen Reflex, dem nehm ich das nicht übel. Pohland schon. Wir kennen uns seit Jahrzehnten. Wir sind beides Geschäftsleute, wir nehmen uns nichts. Aber das hätte er nicht tun dürfen, das nicht.«
    »Hat Sie die Polizei schon vernommen?«
    Wolff winkte zwei Männern entgegen, die nun aufs Podium traten. Auch sie steckten in schwarzen Anzügen über weißen Hemden, sie waren jünger als der Bestattungsunternehmer.
    »So, gleich fangen wir an. Hoffentlich kommt noch jemand. Ach so, ja klar. Die Polizei hat mich vernommen. Ich hätte ja ein gutes Motiv. Und noch nicht einmal ein Alibi.« Er lachte gequält. »Aber Leute mit einem guten Motiv könnte ich Ihnen eine Menge nennen. Zehn? Eher mehr.«
    Er nickte ihr zu und stieg aufs Podest.

    *

    Es gefiel ihr hier. So eine Wohnung würde sie sich später auch mal zulegen. Natürlich anders eingerichtet. Das war ja eher... na ja, Sperrmüll wollte sie jetzt nicht

Weitere Kostenlose Bücher