Prinzessinnensöckchen (German Edition)
sagen, aber ein besseres Wort fiel ihr auch nicht ein. Und Carmen war nett. Sie konnte sich gar nicht mehr vorstellen, noch vor ein paar Tagen Angst vor ihr gehabt zu haben!
Sie würde ihr einen Nudelauflauf machen, den konnte sie ganz gut. War auch alles da. Nudeln, Käse, Sahne, Crème Fraiche, Eier, mehr brauchte man nicht, keinen Schnickschnack. Sogar eine Auflaufform hatte sie ganz hinten im Schrank gefunden, musste nur noch mal gespült werden, so wie die aussah.
Ihr Handy meldete sich. Passte ihr gar nicht. Eine Sekunde lang dachte sie, es könnte Hanna sein, ihr Herz pochte als wolle es aus der Brust. Aber die Nummer sagte ihr nichts. Oder doch? Sie hatte so eine Ahnung, als sie »Ja?« sagte und die Ahnung trog leider nicht. ER.
Sie hörte ihm zu. Seine Stimme schon, unmöglich. Da lag dieses Schmierige, Schleimige drin, es war zum Kotzen. Er machte ihr einen Vorschlag. Klang gelogen. Aber blieb ihr eine Wahl? Dennoch sagte sie erst einmal »Nein« und »Heute kann ich nicht. Vielleicht morgen nach der Schule.« Warum sollte sie unbedingt abends zu ihm kommen? Alles klar, was der wollte. Nein, nein, beteuerte er, ging nicht anders wegen Arbeit. Sie könne ja eine Freundin mitbringen. Die große Blonde oder wen, sei ihm doch egal.
Ok, sagte sie endlich. »Morgen Abend.« Gefiel ihm nicht. Er sagte erst mal nichts, schien zu überlegen. Dann sagte er: »Meinetwegen. Wenn's nicht anders geht.« Sie drückte das Gespräch weg. Ärgerte sie jetzt, musste doch alles nicht sein. Sie nahm die Auflaufform und hielt sie gegen das Sonnenlicht. Hm. Würde auch ohne Spülen gehen.
*
Was Günther Wolff über die Spielsucht zu berichten hatte, war interessant und berührend. Zwischen seinen beiden Leidensgenossen, die nur stumm zu Wolffs Ausführungen nickten und etwas unsicher die anwesende Presse beschauten, erzählte der Bestattungsunternehmer, wie er in seine Sucht geraten war. Private Probleme – er ging nicht näher darauf ein -, eine unsägliche Tortur, von der man ein wenig Ablenkung suchte, um ganz langsam, kaum merklich das Spiel an Automaten und in Casinos zum eigentlichen Inhalt und Sinn seines Lebens zu machen.
»Politik, Presse und Öffentlichkeit verharmlosen das Problem. Was passiert denn schon? Wir konsumieren keine Drogen, wir prostituieren uns nicht an Bahnhöfen, liegen nicht betrunken auf den Straßen oder randalieren. Wir sind ganz normale Bürger dieses Landes und wir sind krank. Wir brauchen Hilfe und als erstes greifen wir zur Selbsthilfe. Dass am Stadtrand von Oberwied im Laufe der nächsten zwei Jahre mit dem Bau eines Therapiezentrums als Teil der Universitätskliniken begonnen werden soll, das wollen wir nicht nur mit Rat und Tat, sondern auch publizistisch mit Ihrer Hilfe vorbereiten. Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung.«
Die anwesende Presse nickte zustimmend ab. Ob es noch Fragen gebe? »Wie groß soll dieses Therapiezentrum werden?«, wollte Carmen wissen. Wolff wog ein wenig unschlüssig den Kopf. »Es gibt, nach meinem Wissen, zwei Konzepte. Das erste favorisiert eine kleine Lösung, also speziell für Spielsüchtige, seien sie in ambulanter oder stationärer Behandlung. Das andere zieht einen größeren Rahmen und integriert Spielsucht in die große Familie der psychischen und körperlichen Abhängigkeiten. Stand der Dinge ist, dass man aus ökonomischen Gründen den Bau einer großen allgemeinen Suchtklinik plant. Mehr kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht mitteilen. Weitere Fragen?«
Die Presse schüttelte den Kopf und rüstete zum Aufbruch. »Frau Witt?« Wolff war ihr nachgeeilt, zog sie am Arm etwas abseits. »Verzeihen Sie bitte meine Neugier – aber recherchieren Sie eigentlich in der Sache Poland?«
Carmen lächelte unverbindlich. »Sie meinen, weil ich im Café arbeite? Hat sich so ergeben. Was gäbe es da auch zu recherchieren? Die Polizei arbeitet doch an dem Fall.«
»Ja, natürlich«, sagte Wolff. »Ich freue mich auf Ihren Bericht von unserer Selbsthilfevereinigung. Schönen Sonntag noch.«
Den hatte Carmen. Emilys Nudelauflauf schmeckte umwerfend.
30
Es wurde hektisch, als sich die ersten Gäste vor der Kuchentheke stauten und nach freiwerdenden Plätzen Ausschau hielten. Es wurde unangenehm, als Carmen, die frischen Kuchen aus der Backstube holen wollte, dort auf einen grimmig sitzenden Winfried Starke traf, der sie unverwandt anstarrte, keineswegs aus Zuneigung, eher aus gegenteiligen Empfindungen. Dabei hatte er doch am
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