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Prinzessinnensöckchen (German Edition)

Prinzessinnensöckchen (German Edition)

Titel: Prinzessinnensöckchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Benedikt
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frei.
    Sie bemerkte ihn erst, als sich sein Schatten in ihren Augenwinkel schob. Er ging langsam, er schwankte, er sah nicht nach links und rechts, was gut so war. Winfried Starke ging die Straße hinunter, blieb auf Höhe des Schmitz'schen Hauses stehen, schaute, ging weiter, noch langsamer. Dann drehte er um. Carmen duckte sich seitlich auf den Beifahrersitz, den Kopf fest an das Polster gepresst. Sie hörte seine Schritte näherkommen, sich entfernen. Sie richtete sich auf. Er hatte jetzt zehn Meter Vorsprung. Sie gestand ihm weitere zehn zu, bevor sie ausstieg und die Wagentür vorsichtig schloss.

31

    Er schien ziellos durch die Straßen zu laufen, die Hände in den Taschen seiner blauen Windjacke, den Rücken gebeugt, als laste etwas schwer auf ihm. Einmal, als er die Hauptstraße überquerte, musste ein Wagen abbremsen, es hupte dreimal kurz, Starke nahm es nicht wahr, er ging auf die andere Seite, blieb dort unschlüssig stehen, wandte sich dann nach rechts. Carmen folgte ihm, was für ein Glück, dass sie ihre Schuhe mit den weichen Sohlen trug, die keine Geräusche auf dem Asphalt machten. Er hätte sie auch nicht wahrgenommen, wenn sie auf High Heels hinter ihm her geschlichen wäre.
    Da vorne ging es in die Straße, in der Hanna wohnte. Er bog ein, schneller werdend. Vor dem Haus der Wollgasts blieb er stehen, eine Minute, zwei, drei. Eine Hand, die rechte, kam aus der Windjackentasche, sie hielt etwas, Carmen konnte es nicht erkennen, sie stand gebückt hinter einem parkenden Wagen, schaute angestrengt. Vielleicht war es ein Brief, ein Zettel, gut möglich. Jedenfalls näherte sich Starke jetzt der niedrigen Mauer, die den verwilderten Vorgarten vom Bürgersteig trennte, beugte sich über das Tor, neben dem ein Briefkasten hing. Wieder schien Starke unschlüssig. Er hielt den Gegenstand noch immer in der Rechten, hob ihn jetzt dicht vor die Augen, das Licht der Straßenlaterne war trüb, eine Sparmaßnahme der Gemeinde.
    Ein Brief. Das musste ein Brief sein. Starke hob die Klappe des Briefkastens, warf ihn ein. Dann ging er weiter, etwas aufrechter, etwas schneller, zielstrebiger. Carmen hielt zwanzig Meter Abstand, wechselte auf die andere Straßenseite, wo es mehr parkende Autos gab, hinter denen sie sich würde verstecken können. Ihre Müdigkeit war verschwunden, das hatte doch schon mal was.
    Drei Minuten, dann hatten sie ein kleines Haus erreicht, das etwas abseits lag, vom Nachbarhaus durch ein Stück Brachland getrennt. Das Haus des Konditors. Sie wartete, bis er darin verschwunden war, bis Licht anging. Kam vorsichtig näher, obwohl sie keine Ahnung hatte, warum sie das tat. Er hatte einen Brief bei den Wollgasts eingeworfen, sie sollte versuchen, ihn aus dem Kasten zu fischen, das war eine gute Idee, wie sie einer Detektivin würdig wäre. Hier gab es nichts mehr zu sehen, nichts mehr zu erfahren. Wahrscheinlich würde Starke den ganzen Abend über in einem Sessel hocken, seinen trüben Gedanken ausgeliefert, von denen Carmen gerne Näheres erfahren hätte. Sie versuchte einen Blick durch das Fenster zu werfen, doch sie sah nur Schemen hinter der dicken grauen Gardine. Zum Briefkasten.
    Die Straße war menschenleer, im Haus dem der Wollgasts gegenüber brannte kein Licht. Wenn sie Glück hatte, stand der Brief auf seiner Längsseite im Kasten, war der Schlitz breit genug, zwei Finger so weit hinein zu stecken, dass sie das Objekt würden herausziehen können. Soweit die Theorie. Zur Praxis sollte es gar nicht erst kommen.
    Wer auch immer hinter ihr stand, eine Hand auf ihren Mund drückte und mit der anderen ihren Bauch hielt, die Sohlen seiner Schuhe mussten noch geräuschloser sein als ihre. Carmen kippte nach hinten, die Absätze ihrer Schuhe machten jetzt ein Geräusch, sie wurden mitsamt ihrer Trägerin über die Steinplatten des Gehwegs geschleift.
    Sie wehrte sich. Ihr rechter Arm war eingeklemmt im Griff des Mannes, den freien linken hieb sie auf gut Glück nach hinten, traf auf etwas Festes, was aber nur zur Folge hatte, dass der Druck auf ihren Mund, auf ihren Bauch zunahm. Carmens Augen starrten weit aufgerissen in die Dunkelheit des sternenlosen Himmels, die Absätze kratzten nicht mehr über die Platten, der Angreifer hatte Carmen auf ein Wiesengrundstück neben dem Haus der Wollgasts gezogen, er nahm jetzt abrupt beide Hände von ihrem Körper, Carmen stürzte, sie fiel weich, sie blieb liegen.
    »Hab mir doch gedacht, dass ich die Visage kenn, die mir da ins Fenster glotzt! Was

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