Privatdetektive (16 Romane in einem Band)
„Wenn du damit nicht eigentlich heute meinst, sondern wirklich morgen …“
„Gut.“
Berringer versuchte, nicht zu dem Toten hinzusehen. Er hörte, wie sich eine uniformierte Kollegin mit Anderson unterhielt und ihm berichtete, dass eine Rentnerin von ihrer Wohnung aus ein Motorrad gesehen habe, das ungefähr eine halbe Stunde vor Degenhardts Ermordung die Straße entlanggefahren sei und dessen Fahrer den Motor rücksichtslos habe aufheulen lassen.
„Konnte sie das Motorrad genauer beschreiben?“, fragte Anderson.
„Nein, sie kann nicht mehr gut sehen, aber sie hat das Geräusch erkannt“, antwortete die Kollegin.
„Alte Leute hören manchmal schlecht.“
„Aber sie war früher Musiklehrerin und hat daher ein gut trainiertes Gehör. Behauptet sie jedenfalls.“
„Na ja …“
Frank Marwitz fuhr in dieser Nacht nicht auf direktem Weg nach Hause, sondern schlug einen Umweg ein, der ihn an Eckart Krassows Bungalow in Rheindahlen vorbeiführte. Noch während der Fahrt holte er den Flachmann aus dem Handschuhfach und leerte ihn.
Er achtete immer darauf, dass er etwas zum „Vorglühen“ dabei hatte. Manchmal musste er der guten Laune, die er zu verbreiten hatte, etwas nachhelfen, und mit ein paar Schlucken vorher ging der Auftritt meist lockerer über die Bühne.
Die Betonung lag dabei auf ein paar, denn Marwitz wusste sehr genau, dass es das Ende seiner Moderatorenkarriere bedeutet hätte, wäre er im angetrunkenen Zustand auf die Bühne gestolpert.
Aber für den Auftritt, der in dieser Nacht vor ihm lag, brauchte er derlei Rücksicht nicht zu nehmen, fand er.
Jetzt wirst du ja wohl zu Hause sein, du Mistkerl!, ging es ihm durch den Kopf. Er hatte alles verloren. Für die nächsten Tage erwartete er den Anruf, der sein Engagement für das Hockey-Turnier auflösen würde. Conny Tietz würde schon dafür sorgen, indem er das Geschehen des vergangenen Abends in seinem Schmierblatt genüsslich als megapeinlichen Reinfall darstellte. Marwitz kochte innerlich.
Ich will zumindest wissen, was dieser Hund dazu zu sagen hat!, dachte er. Zum ersten Mal in seinem Leben konnte Marwitz nachvollziehen, wie jemand den fast unbezwingbaren Wunsch verspüren konnte, einen anderen Menschen zu töten. Du hast Glück, dass ich jemand bin, der sich gut beherrschen kann, ging es ihm durch den Kopf. Immer lächeln, auch wenn es wehtat. Das war die Devise in seinem Job.
Die Show musste weitergehen. Die Leute wollten gute Laune, und er war der Garant für Spaß und Geselligkeit. Da durfte man alles machen, nur nicht eingestehen, dass man sich in Wahrheit scheußlich fühlte.
Marwitz atmete tief durch, bevor er ausstieg und mit entschlossenen, energisch wirkenden Schritten auf die Haustür zuging. Das Außenlicht ging an, aktiviert durch einen Bewegungsmelder, und blendete Marwitz für einen Moment. Im Schatten der Garage konnte man den Umriss eines Motorrads sehen, aber Marwitz registrierte das nur ganz am Rande und nicht bewusst, so aufgewühlt, wie er war. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, und als er vor der Haustür stand, öffnete er den dritten Knopf seines Hemdes, weil er plötzlich ein Gefühl der Enge verspürte. Knopf Nummer eins und zwei trug er grundsätzlich offen, weil er das für lässig und locker hielt, und von jemandem wie ihm erwartete jeder, dass er genau das war – lässig und locker.
Krawatten waren da tabu.
Marwitz schwitzte.
Er betätigte die Klingel. Und als der Hausbesitzer nicht schon nach einer Sekunde öffnete, klingelte er gleich noch mal und hämmerte dann mit der Faust gegen die Tür.
„Krassow! Komm raus! Ich will mit dir reden!“
Keine Reaktion.
Du Feigling hast nicht mal den Mumm, mir Rede und Antwort zu stehen!, durchfuhr es Marwitz. Seine Wut steigerte sich ins Unermessliche. Er fühlte den unstillbaren Wunsch, Eckart Krassow die Faust in dessen zufrieden grinsendes Gesicht zu rammen.
Er hämmerte noch mal gegen die Tür und läutete Sturm. „Krassow, du Sau! Dass du noch ruhig schlafen kannst nach dem, was du getan hast! Das beweist nur, was für ein gewissenloser Hund du bist! Wach auf – raus aus den Federn!“ Dass er mit seinem Gebrüll auch die Nachbarschaft aus den Federn riss, war Marwitz egal.
Endlich vernahm er ein Geräusch auf der anderen Seite der Haustür. Aber es wurde kein Licht angemacht.
Dennoch öffnete sich die Tür.
Er konnte nur einen Schatten ausmachen, aber der Körpergröße nach war es nicht Krassows Tochter, also legte Marwitz gleich los:
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