Privatdetektive (16 Romane in einem Band)
nicht irgendwo gegen stößt, wenn ich es selber fahren muss, setzte Berringer in Gedanken hinzu.
Kaum hatte Rottloff den Wohnbereich der NAMENLOSEN verlassen, schlug Berringers Handy an. Er frohlockte, denn er rechnete für eine Sekunde fest damit, dass Vanessa den ehemaligen Binnenschiffer doch noch erreicht hatte und van Leye nur kurz Brötchen holen gewesen war.
Aber als er aufs Display sah, wurde seine Hoffnung jäh zerschlagen.
MARWITZ RUFT AN stand da in Großbuchstaben. Das war schon wie die Androhung einer schlechten Nachricht.
Manchmal bleibt einem auch nichts erspart, dachte er, nahm das Gespräch entgegen und meldete sich mit einem zackigen „Berringer!“
„Frank Marwitz hier …“ Es war seine Stimme, ganz unverkennbar, aber er sprach schleppend, und schon die Tatsache, dass er diesmal nicht sein Sprüchlein aufsagte, das er sonst jedem Gesprächspartner reflexartig ins Ohr flötete, ließ Berringer Böses ahnen. „Herr Berringer, ich … ich habe etwas Schreckliches getan.“ Hat mich das Schicksal heute Morgen nicht schon genug geprüft?, fragte sich Berringer und zwang sich mit dem letzten Rest Professionalität, das er noch aufzubringen in der Lage war, ruhig zu bleiben. „Wo sind Sie, Herr Marwitz?“
„In meinem Büro. Ich wasche gerade das Blut ab.“
Berringer stockte der Atem, dann würgte er hervor: „Was – haben – Sie – getan?“
„Ich … ich kann … am Telefon …“, stammelte Marwitz und fasste sich schließlich.
„Kommen Sie schnell … Ich weiß nicht, was ich tun soll.“
„Was ist denn passiert, um Himmels willen?“
„Besser nicht am Telefon …“
Er ist durchgedreht!, durchfuhr es Berringer. Das hat dir gerade noch gefehlt!
Er hatte es am Vorabend schon geahnt, und es hatte sich wieder mal gezeigt, dass er sich – leider, leider – auf seinen Instinkt verlassen konnte. Ich hätte ihn gestern Abend einfangen und gefesselt einsperren sollen, damit er keinen Unsinn anstellt, dachte der Detektiv. Aber das widersprach leider den Gesetzen.
Laut und eindringlich sagte er: „Sie bleiben bitte in Ihrem Büro und warten, bis ich eintreffe, verstanden?“
„Ja.“
„Bis gleich.“
„Ich glaube, es ist alles zu spät. Sie können mir auch nicht mehr helfen.“
„Tun Sie nichts, bis ich da bin. Versprechen Sie mir das?“
„Ja. Aber beeilen Sie sich.“
Es klickte, das Gespräch war beendet, und Berringer hatte das Gefühl, als hätte ihm gerade jemand ein Brett vor den Kopf geknallt. Er war wie betäubt.
Er überlegte, ob er die Polizei anzurufen sollte, damit die jemanden zu Marwitz schickten und ihn gegebenenfalls festnahmen – je nachdem, wie sich die Sachlage präsentierte. Vielleicht war es sogar ratsam, parallel dazu den sozialpsychologischen Dienst zu verständigen. Jemand wie Marwitz war wie eine Kerze, die von beiden Seiten brannte, und womöglich war er an dem Punkt angekommen, an dem er nicht mehr konnte. Ausgebrannt. Burn-out auf Neudeutsch. Der manische Rampen-Zappelphilipp, der in der letzten Nacht noch die Bühne als seine eigentliche Heimat angesehen hatte, hatte sich in ein verzagtes, depressives Wesen verwandelt. Aber das waren vielleicht immer schon die zwei Seiten ein und derselben Persönlichkeit gewesen, nur dass er die zweite, dunkle Seite immer verborgen gehalten hatte.
Berringer war schon drauf und dran, Andersons Namen im Handymenü zu suchen. Er tippte das „a“, und alle Namen, die mit A anfingen, wurden aufgelistet. Der von Anderson stand sogar ziemlich weit oben.
Aber dann zögerte Berringer. Behandelte man so einen Klienten, der in Not war? Ihm einfach die Polizei zu schicken, wenn er in Schwierigkeiten geriet? Sollte er nicht vorher mit ihm reden und ihn davon zu überzeugen versuchen, dass es besser war, sich selbst der Polizei zu stellen? Vor Gericht würde ihm das erhebliche Pluspunkte einbringen, und wenn Berringer so handelte, hatte dafür auch jeder Polizist Verständnis, immerhin bestand wohl keine akute Fluchtgefahr.
Eine halbe Stunde brauchte er, wenn er sofort losfuhr, um von Düsseldorf nach Mönchengladbach zu gelangen. Aber wollte er die Verantwortung für das tragen, was Marwitz vielleicht in der Zwischenzeit tat?
Unsinn, dachte Berringer, der tut gar nichts mehr. Der sitzt wahrscheinlich einfach nur da und stiert die Wand an.
Und wie wimmelte er Rottloff ab? Um eine Schonfrist zu bitten war aussichtslos, doch er selbst hatte einfach keine Zeit, die NAMENLOSE zu dem anderen Liegeplatz zu
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