Privatdetektive (16 Romane in einem Band)
aufzusuchen. Aber das war wie mit dem Zigarettenrauchen, dem Alkohol oder dem übermäßigen Genuss von Süßigkeiten und Fast Food: Jeder wusste, dass es schädlich war, aber nur wenige konnten es deshalb sein lassen.
Als er etwas später das Büro der Event-Agentur von Eckart Krassow betreten wollte, war die Tür verschlossen. Da die Fenster mit Plakaten verhängt waren, konnte er nicht erkennen, ob sich nicht vielleicht doch jemand in den Räumen aufhielt.
Berringer klingelte, doch es erfolgte keine Reaktion. Schließlich gab er es auf, griff zum Handy und rief die Nummer der Agentur an.
„Hier Tanja Runge, Event-Agentur Krassow“, meldete sich eine Stimme, die Berringer schon kannte. „Mit wem spreche ich?“
„Berringer. Wir sind uns vor Kurzem schon begegnet. Ich stehe vor Ihrer Tür und hätte Sie gern kurz gesprochen.“
„Das geht jetzt nicht.“
„Sind Sie denn gar nicht daran interessiert, die Wahrheit über den Tod Ihres Vaters zu erfahren?“
Berringer wartete, ohne jedoch eine Antwort zu erhalten. Allerdings wurde die Verbindung auch nicht unterbrochen. Die Sekunden streckten sich nach seinem Empfinden zu einer kleinen Ewigkeit, aber er hatte das Gefühl, dass es besser war, nichts zu sagen. Schließlich war er mit den wenigen Worten, die er schon geäußert hatte, mit der Tür ins Haus gefallen, um zu verhindern, dass die junge Frau einfach auflegte.
Ich gebe ihr noch fünf Sekunden, nahm er sich vor. Eins, zwei …
Die „Drei“ hatte Berringer gerade angedacht, da sagte Tanja: „Was wissen Sie darüber?“
„Ich glaube nicht, dass es eine gute Basis für eine vernünftige Konversation ist, wenn ich hier draußen vor der Tür stehe und in ein Handy flöte, zumal mein Akku gleich leer ist.“
„Sie wollen mich doch nicht verarschen, oder?“
„Ich ermittle in dem Fall und würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen, denn wie ich gerade erfahre habe … Hallo?“
Nun hatte sie doch aufgelegt. Berringer seufzte und wartete erneut. In den nächsten Sekunden würde sich zeigen, ob er doch etwas von Psychologie verstand und privat einfach nur unter der methodischen Unzulänglichkeit dieser Wissenschaft litt.
Jemand schloss die Tür auf.
Na, wer sagt’s denn!, dachte Berringer, als ihm Tanja Runge öffnete.
„Kommen Sie rein.“
„Gern.“
„Unter einer Bedingung.“
„Die wäre?“
„Sie zeigen mir die Akku-Anzeige Ihres Handys.“
Berringer zögerte. Dies also war der Augenblick der Wahrheit. Er zeigte ihr das Handydisplay. „Bitte.“
„Voll aufgeladen!“, erkannte sie. „Sie haben mich schon gleich zu Beginn angelogen!
Was soll ich denn da von Ihnen halten?“
„Sehen Sie es positiv: Jetzt war ich offen zu Ihnen – und ich hoffe, Sie sind es auch.
Im Interesse Ihres Vaters.“
„Der hat keine Interessen mehr, weil ihn ein Irrer abgeschlachtet hat!“ Sie seufzte.
„Gut, kommen Sie rein.“
Eins zu null, dachte Berringer. Denn er hatte das untrügliche Gefühl, in dieser Sache ohne Tanja Runge einfach nicht weiterzukommen und ohne sie auch seinem Klienten nicht helfen zu können. Vorausgesetzt, der hatte das überhaupt verdient und war tatsächlich unschuldig. In diesem Punkt war sich Berringer noch keineswegs hundertprozentig sicher.
Tanja Runge führte ihn ins Büro. „Sie glauben ja gar nicht, was hier los ist. Ich muss all den Leuten absagen, die eigentlich fest damit gerechnet haben, dass mein Vater bei ihnen moderiert. Das Schützenfest in Korschenbroich …“
„Da sollte Ihr Vater auftreten?“, wundertet sich Berringer und nahm ungefragt in einem der Sessel Platz, die offenbar für Besucher bestimmt waren. Wer einmal saß, den vertrieb man nicht so ohne Weiteres, denn dafür musste man schon wirklich unhöflich werden, und davor schreckten doch mehr Menschen zurück, als man es eigentlich vermuten könnte, zumindest angesichts der schätzungsweise drei Jahrtausende Rumgejammers der älteren Generationen über die schlechten Manieren der Jugend.
Tanja sah ihn an, und Berringer dachte: Perfektes Make-up, trotz eines Trauerfalls der besonders makaberen Art. Alle Achtung.
Entweder Tanja Runge ging der Tod ihres Vaters nicht ganz so nahe, wie man es eigentlich bei einer halbwegs normalen Vater-Tochter-Beziehung erwarten konnte, oder sie hatte auf bemerkenswert professionelle Weise nicht nur das Aussehen ihrer Fingernägel im Griff.
„Ja, wieso hätte mein Vater denn nicht beim Schützenfest moderieren sollen?“
„Weil soweit ich weiß ein
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