Privatdetektive (16 Romane in einem Band)
anzutreffen. Jedenfalls hatte er keine Idee, wo er sie sonst finden konnte, außer vielleicht auf dem Polizeipräsidium. Bestimmt war in der Event-Agentur von Eckart Krassow viel zu tun. Termine mussten abgesagt, Kunden benachrichtigt werden – und so traurig dieses Geschäft auch sein mochte, es gab wohl niemand anderen als Tanja, der das besorgen konnte.
Einen Versuch könnte es wert sein, dachte er, startete den Opel und fuhr los.
Er hatte sein Handy an der Freisprechanlage und rief noch einmal Mark Lange an.
Diesmal nahm sein Mitarbeiter den Anruf sogar entgegen.
Na, endlich, dachte Berringer und fragte sofort: „Was ist mit meinem Boot?“
„Liegt gut vertäut an Ort und Stelle“, erklärte Mark. „Hat alles prima geklappt.
Dieser van Leye ist ein echter Profi.“
„Ja, er war Binnenschiffer, und ab und zu juckt’s ihn immer noch und er übernimmt kleinere Fahrten, damit er nicht einrostet.“
„Nee, eingerostet is er wirklich nicht.“
„Freut mich, dass alles in Ordnung ist.“ Als Mark nichts mehr sagte, hakte Berringer misstrauisch nach: „Es ist doch alles in Ordnung, oder?“
„Na ja, da ist vielleicht eine Kleinigkeit, die ich noch erwähnen sollte, Berry.“
„So?“ Berringer wurde hellhörig. Selbst der Gedanke an die unweigerlich bevorstehende und wahrscheinlich sehr, sehr unerfreuliche Auseinandersetzung mit Wiebke Brönstrup war auf einmal wie weggeblasen. „Was denn für eine Kleinigkeit?“
„Es geht um den Liegeplatz.“
„Das versteh ich nicht“, sagte Berringer. „Der wurde mir doch zugewiesen.“
„Ja, schon, aber …“
„Jetzt raus mit der Sprache“, forderte Berringer energisch. „Was ist los?“
„Das siehst du dir am besten selbst an, Berry, sonst verstehst du nicht, was ich meine.“
„Was stimmt denn verdammt noch mal mit dem Liegeplatz nicht?“
„Bis auf die Tatsache, dass du nicht viel Licht hast, ist alles okay. Und der Sommer soll ja sowieso nicht so doll werden. Schau es dir einfach an. Van Leye meint, dass es gar nicht so schlimm ist.“
Noch ein Grund, erst gar nicht nach Düsseldorf zurückzufahren!, dachte Berringer grimmig.
Er rief in der Detektei an, und ein gelangweiltes „Vanessa Karrenbrock“ begrüßte ihn.
Den Hinweis, dass sie sich eigentlich mit dem Namen der Detektei melden sollte, verkniff er sich. „Vanessa, geh bitte die Online-Archive der Lokalzeitungen durch, die man in Mönchengladbach und Umgebung bekommen kann. Nimm auch die Boulevardblätter dazu und filtere sie nach Gladbach.“
„Wieso?“
„Es geht um einen Toten vor sechs Monaten. Wurde in einem Hinterhof gefunden und wahrscheinlich mit einem WASP-Messer umgebracht.“
„Mit einem was?“
„Sieh selbst im Internet nach.“ Dann erinnerte er sich daran, dass Birgit Mankowski erzählt hatte, dass damals niemand ihre Theorie von einem WASP-Messer hatte glauben wollen, und er fügte hinzu: „Kann sein, dass ein WASP-Messer gar nicht erwähnt wurde.“
„Na, ist ja toll“, beschwerte sich Vanessa. „Das macht die Sache nicht gerade einfacher, weißt du? Hast du nicht noch 'nen Anhaltspunkt, sonst such ich ja 'ne Ewigkeit?“
„Ja, der Tote trug 'ne Motorradjacke aus Leder. Könnte also im Zusammenhang mit den Mönchengladbacher Rockergangs stehen. Ich will alles wissen, was darüber veröffentlicht wurde.“
„Wieso fragst du nicht deine tollen Freunde von der Polizei?“
„Weil ich nicht die, sondern dich dafür bezahle, dass du mir die Antworten besorgst.
Ich muss erst etwas mehr wissen, bevor ich meinen Ex-Kollegen damit auf die Nerven gehe.“
„Okay, okay …“
„Danke“, sagte er grimmig.
„Berry, ich soll dich noch an was erinnern.“
„Woran?“
„Morgen ist dein Besuchstag. Neun Uhr in der JVA.“
„Ah, ja …“
Berringer beendete das Gespräch. Besuchstag. Der war bei ihm heilig. Selbst die Arbeit an dem jeweils aktuellen Fall unterbrach er dafür. Er stattete regelmäßig Roman Dinescu einen Besuch ab, der lebenslänglich dafür einsaß, dass er Berringers Familie in die Luft gesprengt hatte. Und wenn man den Aufzeichnungen der Gefängnisleitung Glauben schenkte, war Berringer auch der Einzige, der den Lohn-Killer besuchte.
Der Verstand sagte Berringer, dass er nicht darauf hoffen durfte, dass der Mann vielleicht doch noch irgendwann sein Schweigen brach. Und sein angelesenes Therapeutenwissen sagte ihm, dass es vielleicht sogar ungesund für seine Psyche war, regelmäßig die Manifestation seines Traumas
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