Privatdetektive (16 Romane in einem Band)
erzählte Tanja Runge davon, wie sich ihre Mutter verändert habe. Wie es immer schwieriger geworden sei, mit ihr zusammen zu sein. Wie sie mit der Zeit immer stärker in ihrer eigenen Gedankenwelt versunken sei. Das passte alles ins Bild, fand Berringer, während er sich bemühte, Tanja so selten wie möglich mit Zwischenfragen zu unterbrechen.
Frederike Runge wohnte in einem Mietshaus im Stadtteil Wickrath. Tanja hatte sogar einen Haustürschlüssel.
Als sie schließlich vor Frederike Runges Wohnungstür standen, stellte Berringer fest, dass diese nur angelehnt war. Er stieß sie auf.
„Mama?“, rief Tanja.
Sie traten ein. Tanja ging voran, Berringer folgte ihr. Sie durchschritten den Flur und erreichten das Wohnzimmer.
Die junge Frau erstarrte und unterdrückte nur mit Mühe einen Schrei. Eine Sekunde später sah Berringer, was sie so entsetzte.
Klaus Flohe lag mit blutgetränkter Mönchskutte am Boden. Ein Armbrustbolzen hatte seinen Körper durchschlagen und war im Türrahmen stecken geblieben.
Frederike Runge saß in einem Sessel, in der Hand eine Hightech-Armbrust mit Zielfernrohr. Ein Bolzen war eingelegt und die Waffe gespannt.
„Keinen Schritt weiter!“, zischte sie.
„Frau Runge, es ist vorbei“, sagte Berringer, der sich an Tanja vorbeischob.
„Mama, spinnst du?“, entfuhr es der jungen Frau. „Papa hatte recht, du bist völlig plemplem!“
Etwas mehr Diplomatie von Tanja Runges Seite her hätte sich Berringer in diesem Moment schon gewünscht, denn Frederike Runge richtete nun die Armbrust auf sie beide.
Für einen Moment überlegte er, ob er mit einer schnellen Bewegung aus der Schussbahn springen und sich in den Flur werfen sollte. Ob Klaus Flohe so etwas auch erwogen hatte, ließ sich so ohne Weiteres nicht mehr sagen. Aber Berringer rechnete sich keine guten Chancen aus. Frederike Runge war eine erstklassige Schützin. Das hatte sie auf erschreckende Weise unter Beweis gestellt.
„Legen Sie die Waffe weg“, sagte Berringer mit ruhiger Stimme. „Sie können das, was Sie sich vorgenommen haben, ohnehin nicht vollenden. Zumindest nicht in nächster Zeit.“
Berringer sah die Überraschung auf Frederikes Gesicht. Gut so, dachte er. Das war der erste Erfolg. An dieser Stelle musste er weitermachen.
„Ich habe nicht gewollt, dass du mich so siehst, Kind“, sagte sie.
Tanja schluckte schwer, warf einen Blick auf Klaus Flohes erstarrtes Gesicht und wurde kreidebleich. „Mama, du bist 'n Psycho-Killer! Wie kannst du so was machen?
Einen Mönch umbringen!“ Ihre Augen schwammen in Tränen, und schniefend fuhr sie fort: „Aber es ist schon länger mit dir nicht mehr auszuhalten. Mein Gott, ich hätte es merken müssen, als du angefangen hast, Gesichter auf die Zielscheiben zu kleben.“ Sei endlich still!, dachte Berringer.
Aber die einzige Methode, Tanja zum Schweigen zu bringen, war wohl, selbst das Wort zu ergreifen.
„Ihre Tochter hat keine Ahnung“, sagte Berringer. „Aber ich schon. Ich sagte gerade, dass Sie Ihren Plan nicht vollenden können. Petra Römer hat sich nämlich nach Indien abgesetzt. Ich hab heute versucht, mit ihr zu sprechen. Und die wäre doch auch noch drangekommen, nicht wahr?“
Sie hob die Armbrust ein wenig an und zielte auf Berringers Kopf. „Wer sind Sie?“
„Berringer. Ich ermittle in dem Fall.“
Sie war wie erstarrt. Berringer griff langsam in seine Jackettinnentasche. Frederike Runge zitterte leicht. Sie wurde erst wieder ruhiger, als Berringer das Foto hervorzog, keine Waffe. Er drehte es ihr zu. „Außer Petra Römer und Ihnen sind nun alle tot, die auf dem Bild zu sehen sind. Björn Mader starb an Drogen …“
„Nein!“, unterbrach sie ihn mit schriller Stimme. „Er starb nicht an Drogen. Nicht in erster Linie!“
„Sondern? Erzählen Sie es mir. Ich werde Ihnen zuhören. Vielleicht bin ich der Einzige, der Ihre Geschichte anhört und sie glaubt, vorausgesetzt, Sie töten mich nicht vorher. Aber ich weiß, dass Sie das eigentlich nicht wollen, denn sonst hätten Sie es längst getan. Ich glaube nämlich, dass Sie sehr wohl zwischen Recht und Unrecht unterscheiden können, und eins wissen Sie mit Bestimmtheit: Ich bin unschuldig an dem, was geschehen ist.“
Tatsächlich senkte sie die Waffe ein wenig. Ein wirklich durchschlagender Erfolg sah anders aus, fand Berringer. Aber Erfolg war wohl relativ. Hauptsache, sie hatte nicht abgedrückt.
Seinem Instinkt folgend, trat Berringer einen Schritt auf sie zu und hielt dabei
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