Private Games - Der Countdown des Todes
tue nichts, bevor ich nicht endlich mit meiner Mutter gesprochen habe.«
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Zwanzig Minuten später setzte ein Streifenwagen der Metropolitan Police Knight vor dem Haus seiner Mutter auf der Milner Street in Knightsbridge ab. Die Schmerzmittel der Sanitäter hatte er abgelehnt. So war es eine Qual, aus dem Wagen auszusteigen. Bilder von einer schönen, schwangeren Frau, die vor einem Sonnenaufgang über einem Moor stand, blitzten vor ihm auf.
Zum Glück konnte er sie aus seinen Gedanken verbannen, als er an der Tür klingelte. Und plötzlich wurde ihm bewusst, wie schmutzig und zerrissen seine Kleider waren.
Amanda würde es nicht gutheißen. Ebenso wenig wie …
… Gary Boss, der die Tür öffnete. Er war der langjährige persönliche Assistent seiner Mutter, zwischen dreißig und vierzig Jahre alt, dünn, gepflegt und tadellos gekleidet.
Er blinzelte Knight durch seine Schildpattbrille an und rümpfte die Nase. » Ich wusste nicht, dass Sie einen Termin haben, Peter.«
» Amandas Sohn und einziges Kind braucht keinen Termin«, erwiderte Knight. » Heute nicht.«
» Sie ist sehr, sehr beschäftigt«, beharrte Boss. » Ich schlage vor …«
» Denton ist tot, Gary«, unterbrach Knight ihn leise.
» Was?«, sagte Boss, bevor er höhnisch kicherte. » Das ist unmöglich. Sie war doch erst gestern Abend …«
» Er wurde ermordet«, unterbrach ihn Knight erneut und trat ein. » Ich komme gerade vom Tatort. Ich muss es ihr sagen.«
» Ermordet?« Boss’ Kinnlade fiel nach unten, und er schloss die Augen, als ahnte er den unsäglichen Kummer voraus, den die Nachricht seiner Chefin bereiten würde. » Gütiger Himmel. Sie wird …«
» Ich weiß.« Knight schob sich an ihm vorbei. » Wo ist sie?«
» In der Bibliothek«, antwortete Boss. » Sie sucht Stoffe aus.«
Knight zuckte zusammen. Seine Mutter hasste es, bei der Auswahl von Stoffen gestört zu werden. » Hilft nichts«, sagte er und ging zur Bibliothek, um seiner Mutter mitzuteilen, dass sie praktisch zum zweiten Mal Witwe geworden war.
Als Knight drei Jahre alt gewesen war, war sein Vater, Harry, bei einem Fabrikunfall ums Leben gekommen und hatte der jungen Witwe und seinem Sohn eine spärliche Versicherung hinterlassen. Seine Mutter schien über den Verlust zu verbittern, bis sie eines Tages ihre ganze Energie auf etwas anderes richtete. Mode und Nähen waren schon immer ihre Leidenschaft gewesen, und so hatte sie die Versicherungssumme als Startkapital für ein Bekleidungsunternehmen verwendet, das ihren Namen trug.
Amanda Design hatte seinen Anfang in ihrer Küche genommen. Knight erinnerte sich, dass seine Mutter ihr ganzes Leben stets als langen, zähen Kampf betrachtet hatte. Doch ihr kämpferischer Stil hatte letztlich Erfolg gezeigt. Als Knight fünfzehn gewesen war, hatte seine Mutter Amanda Design zu einem soliden, angesehenen Unternehmen ausgebaut. Alle um sich herum hatte sie zu mehr Leistung angespornt, ohne selbst je glücklich zu sein. Kurz nach Knights Abschluss am Christ Church College in Oxford hatte sie den Konzern für mehrere Zehntausend Pfund verkauft und mit dem Geld vier noch erfolgreichere Modelinien ins Leben gerufen.
Die ganze Zeit über hatte sich seine Mutter nie erlaubt, sich erneut zu verlieben. Sie hatte Freunde und Bekannte und, wie Knight vermutete, kurzzeitig auch einige Liebhaber gehabt, doch seit dem Tod seines Vaters hatte sie ihr Herz mit einem festen Schild umgeben, den niemand außer ihrem Sohn durchbrechen konnte.
Bis Denton Marshall in ihr Leben getreten war.
Sie hatten sich auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung kennengelernt. Gerne sagte seine Mutter: » Es war Liebe auf den ersten Blick.« An diesem besonderen Abend hatte sich Amanda von der kalten, unnahbaren Zicke in ein quirliges, verknalltes Schulmädchen verwandelt. Von da an war Sir Denton ihr Seelenfreund gewesen, ihr fester Begleiter und die Quelle für die tiefste Freude ihres Lebens.
Wieder blitzte vor Knight das Bild der schwangeren Frau auf, als er an die Tür klopfte und die Bibliothek betrat.
Amanda, in jeder Hinsicht eine elegante Frau – mit Ende fünfzig hatte sie die Haltung einer Tänzerin, die Schönheit einer alternden Schauspielerin und das Auftreten einer gütigen Königin –, stand an ihrem Arbeitstisch, vor sich Dutzende von Stoffmustern.
» Gary«, schalt sie, ohne den Kopf zu heben. » Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich nicht …«
» Ich bin’s, Mutter«, unterbrach Knight sie.
Amanda drehte sich um und
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