Private Games - Der Countdown des Todes
schien sie irgendwie zu beruhigen, sodass sie ihre Waffen senkten und mir meine Waffe ließen.
Einer von ihnen sprach gebrochenes Englisch und sagte, ich könne von der Polizeistation des Dorfes aus anrufen, zu der sie unterwegs waren.
Ich fragte ihn, weswegen die Mädchen verhaftet worden waren.
» Sie sind Kriegsverbrecherinnen«, antwortete er. » Sie gehören zu einem serbischen Tötungskommando, das für Mlad i ´ c, diesen Übeltäter, arbeitet. Man nennt sie die Furien. Diese Mädchen töten bosnische Jungs. Viele Jungs. Jede von ihnen tut es. Frag die Älteste. Sie spricht Englisch.«
Furien? Mein Interesse war geweckt. Ich hatte am Tag zuvor in meinem Buch über griechische Mythologie von ihnen gelesen. Ich ging rascher, damit ich sie genauer betrachten konnte, besonders die Älteste, ein mürrisch aussehendes Mädchen mit dichten Augenbrauen, derbem schwarzem Haar und toten, dunklen Augen.
Furien? Das konnte kein Zufall sein. Diesen Mädchen musste ich aus einem bestimmten Grund begegnet sein. Daran glaubte ich genauso wie daran, dass mir der Hass bereits in die Wiege gelegt worden war.
Trotz des Schmerzes, der meinen Kopf zu zersprengen drohte, holte ich das älteste Mädchen ein. » Ihr seid Kriegsverbrecherinnen?«, fragte ich.
Sie richtete ihre dunklen Augen auf mich. » Ich bin nicht kriminell«, blaffte sie. » Und meine Schwestern auch nicht. Letztes Jahr bosnische Schweine töten meine Eltern und vergewaltigen mich und meine Schwestern vier Tage am Stück. Wenn ich könnte, ich erschieße jedes bosnische Schwein. Ich breche ihren Schädel. Ich sie alle töten, wenn ich könnte.«
Ihre Schwestern schienen verstanden zu haben, was sie gesagt hatte, weil auch sie mich mit ihren toten Augen ansahen. Der Schock nach der Bombenexplosion, das unerträgliche Pochen in meinem Kopf, meine unermessliche Wut, der stumpfe Blick der serbischen Mädchen, der Mythos der Furien – all das schien sich plötzlich zu etwas zu verbinden, das mir vorherbestimmt war.
In der Polizeistation fesselten die Bosnier die Mädchen an schwere Holzstühle, die am Boden befestigt waren, und verriegelten Türen und Fenster. Die Landleitungen funktionierten nicht, ebenso wenig wie die simplen Mobilfunktürme. Mir wurde allerdings gesagt, ich könne hier warten, bis sie in der Lage seien, eine Friedenstruppe anzurufen, um mich und die serbischen Mädchen an einen sichereren Ort zu bringen.
Als der Bosnier, der Englisch sprach, den Raum verließ, umfasste ich meine Waffe, trat zu dem Mädchen, mit dem ich gesprochen hatte, und fragte: » Glaubst du an Schicksal?«
» Geh weg.«
» Glaubst du an Schicksal?«, drängte ich.
» Warum fragst du das?«
» So wie ich die Sache sehe, besagt euer Schicksal, dass ihr als Kriegsverbrecherinnen sterben werdet«, antwortete ich. » Wenn ihr verurteilt werdet, Dutzende unbewaffneter Jungs ermordet zu haben, ist das Völkermord. Selbst wenn du und deine Schwestern vorher mehrfach vergewaltigt wurdet, wird man euch aufhängen. So läuft das mit Völkermord.«
Sie hob hochmütig ihr Kinn. » Ich habe keine Angst, für das zu sterben, was wir getan haben. Wir haben Monster getötet. Das war Gerechtigkeit. Wir haben ein Gleichgewicht wiederhergestellt, wo keines war.«
Monster und Furien, dachte ich. Meine Aufregung wuchs. » Vielleicht, aber ihr werdet sterben, und damit endet eure Geschichte.« Ich legte eine kurze Pause ein. » Aber vielleicht ist euch auch ein anderes Schicksal bestimmt. Vielleicht war alles in eurem Leben eine Vorbereitung für genau diesen Moment, diesen Ort und diesen Abend, damit euer und mein Schicksal aufeinandertreffen.«
Sie wirkte verwirrt. » Was heißt das, › Schicksal aufeinandertreffen‹?«
» Ich werde euch hier rausholen«, antwortete ich. » Ich werde euch neue Identitäten beschaffen, euch verstecken. Dich und deine Schwestern immer schützen. Ich werde euch eine zweite Chance im Leben geben.«
Wieder baute sie einen Schutzschild um sich auf. » Und als Gegenleistung?«
Ich blickte in ihre Augen, in ihre Seele. » Ihr werdet euch bereit erklären, euer Leben zu riskieren, um meins zu retten, und ich werde mein Leben riskieren, um eures zu retten.«
Sie schielte mich von der Seite her an, bevor sie sich ihren Schwestern zuwandte und sich mit ihnen, auf Serbisch flüsternd, beratschlagte.
Schließlich drehte sich wieder zu mir. » Du kannst uns retten?«
Das Klingeln in meinem Kopf hatte noch nicht aufgehört, doch der Nebel hatte sich
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