Private Games - Der Countdown des Todes
Gegenüberstellung der Spiele der Neuzeit und der Antike vertiefte, desto stärker bekam er den Eindruck, dass die antiken in einem besseren Licht gezeigt wurden als die modernen.
Kaum hatte er diesen Eindruck zu einem Gedanken gefasst, rief Pope ihn vom anderen Ende der Ausstellungshalle. » Knight, ich glaube, das sollten Sie sich anhören.«
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Dr. Daring stand in der Ausstellungshalle vor einem Schaukasten mit Diskusscheiben, Wurfspießen und Terrakottavasen mit Zeichnungen von Athleten aus der Bronzezeit und deutete auf den ersten Satz des Briefes.
» Das ist tatsächlich Altgriechisch«, bestätigte er. » Es heißt: › Olympier, ihr seid im Schoße der Götter.‹ Das ist ein Satz aus der griechischen Mythologie und bedeutet, dass das Schicksal bestimmter Sterblicher der göttlichen Macht unterliegt. Ich glaube, der Satz wurde oft verwendet, wenn ein Sterblicher ein Verbrechen begangen hat, das so schlimm war, dass die Bewohner des Olymps verärgert waren. Aber wissen Sie, zu wem man mit solchen Dinge am besten geht?«
» Nein, zu wem?«, fragte Knight.
» Selena Farrell«, antwortete er. » Professorin für Altphilologie am King’s College – exzentrisch und brillant. In ihrem früheren Leben arbeitete sie auf dem Balkan für die NATO . Dort, äh, habe ich sie kennengelernt. Sie sollten sich mit ihr treffen. Eine bilderstürmerische Denkerin.«
» Wer ist Kronos?«, wollte Pope wissen, während sie Farrells Adresse notierte.
Daring griff zu seinem iPad und tippte etwas ein. » Ein Titan, einer der Götter, die die Welt vor den Olympiern regiert haben«, antwortete er. » Aber auch das kann Selena Farrell besser erklären. Kronos war jedenfalls der Gott der Zeit und der Sohn von Gaia und Uranus, den früheren Herrschern der Erde und des Himmels.«
Kronos habe, wie Daring erklärte, auf Drängen seiner Mutter gegen seinen Vater rebelliert und ihn schließlich mit einer Sichel entmannt.
Eine lange, gebogene Klinge, dachte Knight. Hat Elaine die Mordwaffe nicht mit diesen Worten beschrieben?
» In der griechischen Mythologie entstanden aus dem Blut von Kronos’ Vater, das auf die Erde tropfte, die drei Furien«, fuhr Daring fort. » Sie waren Kronos’ Halbschwestern – Rachegöttinnen mit Schlangenhäuptern wie Medusa.«
Kronos habe Rhea geheiratet und mit ihr sieben der zwölf Götter gezeugt, die später die ursprünglichen Olympier wurden. Doch plötzlich schwieg Daring und machte ein besorgtes Gesicht.
» Was ist los?«, fragte Pope.
Darings Nase zuckte, als röche er etwas Fauliges. » Kronos tat etwas Furchtbares, als ihm prophezeit wurde, sein eigener Sohn würde sich gegen ihn wenden.«
» Und zwar?«, wollte Knight wissen.
Daring drehte das iPad in ihre Richtung. Der Bildschirm zeigte ein dunkles, beunruhigendes Gemälde eines zerzausten, bärtigen, halb nackten Mannes, der auf dem blutigen Arm einer kleinen menschlichen Leiche kaute. Der Kopf und der andere Arm fehlten bereits.
» Das ist ein Gemälde des spanischen Malers Goya«, erklärte Daring. » Es zeigt Saturn, der seinen Sohn verspeist. Saturn war der römische Name für Kronos.«
Knight war von dem Gemälde angewidert. » Das verstehe ich nicht«, sagte Pope.
» In der römischen und griechischen Mythologie aß Kronos seine Kinder der Reihe nach auf.«
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» Er hat sie gegessen?«, fragte Pope mit gekräuselten Lippen.
Knight betrachtete das Gemälde und stellte sich seine eigenen Kinder auf einem Spielplatz in der Nähe seiner Wohnung vor. Sein Widerwille wuchs noch mehr.
» Es ist ein Mythos. Was soll ich sagen?«, wehrte Daring ab.
» Rhea hasste ihren Mann dafür, dass er ihre Kinder verspeist hatte«, fuhr Daring fort. » Und sie schwor, dass keins ihrer ungeborenen Kinder dieses Schicksal erleiden würde. Deshalb schlich sie sich davon, um einen Sohn namens Zeus zu gebären und gleich nach der Geburt zu verstecken. Anschließend machte sie Kronos betrunken und gab ihm einen in ein Tuch gewickelten Stein, den er statt ihres Sohnes aß. Als Zeus erwachsen war, besiegte er Kronos und zwang ihn, die verspeisten Kinder auszuspucken. Anschließend schleuderte er seinen Vater in den tiefen, dunklen Tartaros – jedenfalls so ungefähr. Fragen Sie Farrell.«
» Okay«, sagte Knight, unsicher, ob diese Informationen hilfreich waren oder nicht. Könnte der Brief ein Ablenkungsmanöver sein, um sie auf eine falsche Fährte zu locken? » Sind Sie ein Fan der modernen Olympischen Spiele, Dr. Daring?«
Daring runzelte
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