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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Schubläden der Kommode standen offen und gähnten.
    Landgerichtsdirektor von Hammerfels wischte sich zitternd über die Augen. Das Zimmer von Hoppnatz, dachte er. Es ist das einzige leere Zimmer im Schloß. Dort hat er gelegen. In diesem Bett, in dem jetzt die Matratzen hochkant stehen. Symbol des Vergänglichen … man lüftet aus!
    Er wartete ein paar Minuten im Dunkeln, denn er hatte das Licht sofort wieder ausgedreht, rannte dann zu seinem Zimmer, legte sich ins Bett und schellte nach seiner Spritze.
    Wie hatte er in seinem letzten Prozeß gesagt: »Angeklagter, Sie haben die Tat im Trunk begangen?« Und zu den Beisitzern: »Meine Herren, ich kann mir nicht helfen. Der Mann ist mir sympathisch.« Am nächsten Tag brauchte er nicht mehr ins Gericht zu kommen. Man hatte ihn auf unbestimmte Zeit wegen Kreislaufstörung beurlaubt. Sein Sohn ließ ihn nach Schloß Bornfeld bringen, seine Frau zog zu der jüngsten Tochter, um ›dem Spießrutenlaufen in der Stadt‹ zu entgehen. Einmal im Monat bekam er Besuch. Von der Zweitältesten Tochter. Marga. Sie war Lehrerin. Sie hielt ihm einen Vortrag über Alkohol, bis er sagte: »Hör auf, du dummes Ding!«
    Marga kam trotzdem immer wieder. Sie war Pädagogin. Jedes Samenkorn geht einmal auf. Auch auf dem gröbsten Stein wächst eines Tages Moos. Ab und zu brachte sie einen Brief der Mutter mit. »Uns geht es gut. Wir hoffen, dir auch.« Ungeheuer kluge Sätze voll innerer Teilnahme! Von Hammerfels zerriß diese Briefe und spülte sie im Lokus weg.
    Wie leer kann ein Leben sein, dachte er. Wäre alles so gekommen, wenn ich nicht diese Frau, sondern eine andere geheiratet hätte? Vielleicht die lustige Käthe aus Bonn? Oder die braungelockte Sophie aus Würzburg, die so gern wanderte? Aber nein, ich mußte Eugenie heiraten. Eine Aristokratin, die in der Hochzeitsnacht Rilke zitierte, worauf ich ihr mit Villon antwortete, was sie unanständig fand. Daß wir drei Kinder haben, ist ein rein biologischer Vorgang, weiter nichts. Jeder Teil des Körpers hat seine Funktion, die ausgenutzt werden muß. Aber ein Herz? Wo habe ich ein Herz gespürt? »Meine Spritze!« rief Hammerfels, als die Nachtschwester endlich ins Zimmer kam. »Für siebzig Mark pro Tag kann ich verlangen, daß man meine Gesundung so unkompliziert wie möglich gestaltet!«
    Gesundung, dachte er, während die Schwester die Spritze aufzog. Ob er trank oder nicht mehr trank … das Leben blieb trostlos und leer. Und dagegen gab es keine Spritze.
    Nichts spricht sich schneller herum als begonnener Wohlstand. Armut ist uninteressant, sie riecht nach Kohl und ungelüfteten Betten, aber Aufstieg aus der grauen Masse des Alltags, Hinaufklettern aus dem Steinhaufen menschlicher Termitenbauten in eine freiere Luft, das erweckt Neid und Mißgunst.
    Susanne Kaul bekam es aus der Nachbarschaft zu spüren. Beim Einkaufen im Lebensmittelladen begann es. »Wieder eine neue Frisur, Frau Kaul!« hieß es da etwa. »Schon recht! Man muß sich hübsch machen, wenn der Mann mehr verdient. Es gibt ja auch andere nette Frauen, was?« Oder der Fleischer sagte: »Heute haben wir Kalbsbrust hier! Zu teuer? Aber Frau Kaul! Wo Ihr Mann doch jetzt so gut verdient! Stimmt das, daß er für den Direktor der Irrenanstalt so etwas wie den Diener macht? Muß doch interessant sein, was?«
    Eine Woge von Vertretern und bunten Werbeprospekten ergoß sich über die Familie Kaul. Man bot Luftverbesserer an. Dunsthauben, vollautomatische Küchen und Autos, alles in langen Ratenzahlungen.
    »Laß uns wegziehen, Peter«, sagte Susanne eines Abends. »Irgendwohin. Von mir aus in die Heilanstalt! Nur hier möchte ich nicht mehr wohnen. Hier bleiben die Schatten kleben wie Ölflecke. Sie lachen über dich, die anderen. Sie schließen schon Wetten ab, wann du zum erstenmal wieder betrunken nach Hause kommst. Neulich sagte eine Frau zu mir: ›Ach, Sie sind schon im siebten Monat? Was machen Sie, wenn das Kind so wird wie Ihre nette, arme Gundi?‹« Susanne schüttelte den Kopf und legte ihn auf Peter Kauls Schulter. »Ich halte es nicht mehr lange aus, Peter. Ich bin eines Tages so weit, daß ich jeden, der so etwas sagt, ins Gesicht schlage!«
    Am nächsten Tag sprach Kaul mit Judo-Fritze. »Det is keen Problem«, sagte der Oberpfleger. »Wenn unser Neubau fertig ist, kannste meine alte Wohnung haben. Ick spreche mit dem Verwaltungsheini darüber. Ist ja 'ne Dienstwohnung. Und du bist ja nun Mitarbeiter unserer Klapsmühle!«
    Peter Kaul bedankte sich

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