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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gegen seine Brust.
    »Ich … ich habe es geahnt. Sie haben das Gesetz hinter sich, Peter … das Recht …«
    Unten, an der Haustür, wurde der Klingelknopf gedrückt. Die Tür war von einem der Mieter, der zur Frühschicht gegangen war, verschlossen worden. Beim Klang der Schelle zuckten sie beide zusammen und umfaßten sich noch enger.
    »Nicht aufmachen, Susi …«, sagte Kaul leise.
    »Aber sie wissen doch, daß du hier bist …«
    »Woher sollen sie das wissen?« Er drückte Susanne fest an sich, als die Schelle erneut klirrte. Diesmal länger, fordernder, amtlich. »Ich kann überall hingelaufen sein … wieder zur Ruhr zum Beispiel.«
    »Dann hätten sie dich schon gefunden. Sie werden sich gedacht haben, daß es nur einen Weg für dich gibt.«
    »Nicht aufmachen!« stammelte Peter Kaul. »Bitte, bitte, nicht aufmachen …«
    Die Haustür wurde aufgeschlossen. Frau Plotzke tat es mit Freuden. Abwechslung im Haus war willkommen. Man konnte sich nicht immer über das Hurenleben der Wollenweber aufhalten. Es wurde langsam langweilig.
    Schritte auf der Treppe. Viele, energische Schritte. Aus der Küche kamen Petra und Heinz. Sie hatten ihren Kakao getrunken, jeden Morgen eine große Tasse, bevor sie in die Schule gingen. Heinz nahm ein Butterbrot mit, Petra einen Apfel. Sie standen im Flur und sahen ängstlich auf ihren Vater, der die Mutter umfangen, sein Gesicht auf ihre Haare gelegt hatte und weinte, mit zuckenden Lippen, bebenden Schultern und dicken Tränen, die aus den merkwürdig starren Augen flossen.
    Stimmen im Treppenhaus, vor der Tür. Füßescharren. Ein Finger, der auf die Klingel drückte, eine Faust, die gegen die Tür donnerte. Ohne zu sehen, wer es war, lag damit alles klar: Der Oberarzt klingelte, wie es sich gehörte … einer der Polizisten klopfte mit der Faust. Das muß so sein, denn eine amtliche Handlung hat auch ihre bestimmten akustischen Begleiterscheinungen, vor allem in Deutschland. Pfarrer Merckel stand abseits … Peter Kaul konnte es im Geist genau sehen. Er stand am Geländer, hatte die Hände gefaltet und vertraute auf Gott und seine unsagbare Güte.
    »Was … was wollen die denn, Papi?« fragte Heinz.
    »Aufmachen!« rief vor der Tür eine barsche Stimme. Beamtenton! Geübt als Feldwebel auf dem Kasernenhof. Für einen guten Feldwebel bleibt der männliche Mensch immer ein Rekrut, ob mit oder ohne Uniform. Es genügt, wenn er selbst wieder eine Uniform trägt. Und wenn es die eines Nachtwächters ist.
    Peter Kaul schwieg. Auch die Kinder schwiegen. Sie umklammerten ihren Vater von zwei Seiten. Eine Menschentraube, so standen sie im Flur, vier ineinander verkrampfte Körper, die den Willen hatten, sich nicht auseinanderreißen zu lassen.
    Wieder die Beamtenfaust. Donnernd. Hört her, hier spricht der Staat! Die Staatsgewalt! Wer will noch widersprechen? Wer wagt es, aufzumucken, wenn ein Uniformträger an die Tür klopft? Aber der Peter Kaul, der tut es. Der rührt sich nicht, der öffnet nicht, der weigert sich. Gegen Staat und Uniform! Ist das kein Beweis, wie irr er ist?
    Vor der Tür, nach dem zweiten Beamtenklopfen, entstand eine leise, aber erregte Diskussion. Dann schellte es wieder, ganz kurz, wie ein Antippen nur, wie ein Signal: Achtung, ich bin da. Und dann eine Stimme, tief und väterlich, wohlwollend und breit. Judo-Fritze.
    »Mach auf, Peter«, sagte er. Er schien den Mund gegen die Ritze zu pressen, denn seine Stimme klang so voll und gegenwärtig, als stände er neben Kaul. Der Angesprochene zuckte zusammen, ließ Susanne und die Kinder los und war mit zwei Schritten an der Tür. Nur ein Türblatt trennte ihn jetzt von den anderen, eine aufgedoppelte Tür, wie der Schreiner sagt, 20 mm stark. Sperrholz, Limba furniert, zweimal grundiert und lasiert. Mit BKS-Schloß und Innenriegel. Kein großes Hindernis, mehr ideell. Man konnte sie eintreten, wenn man wollte. O Kameraden, da haben wir schon ganz andere Dinger eingetreten. Damals, bei Cherbourg, die Tür der kleinen Françoise, die nicht wollte, aber schließlich mußte. Das war eine Eichentür! Und rumm, war sie durch. Was ist da schon so eine Wohnungsgenossenschaftstür?
    Peter Kaul schwieg. Judo-Fritze versuchte es noch einmal. Seine väterliche Stimme war ein Gesang in Moll.
    »Mach keinen Quatsch, Peter! Komm mit. Der Herr Professor gibt dir auch ein Einzelzimmer.«
    Jeder wußte, daß dies gelogen war. Ein Einzelzimmer kostete pro Tag achtundzwanzig Mark, ohne Professor. Nur das Bett. Und dann kam alles

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