Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
nicht gewöhnt, daß …« Er schwieg. Er schämte sich. Muß ich das alles sagen, dachte er. Susanne und ich hatten eine gute Ehe. Natürlich, ich war jeden Freitag besoffen, wir haben Schulden, wir sitzen oft in der Küche und rechnen und rechnen … aber was hat das mit der Ehe zu tun? Wir haben uns immer geliebt, auch wenn wir Angst vor dem nächsten Tag hatten, wenn die Raten fällig waren. Ja, gerade weil wir Angst hatten, liebten wir uns und krochen zusammen …
    »Was sind Sie nicht gewöhnt?« fragte Brosius bohrend.
    Peter Kaul schluckte. Dieser Kloß im Hals, diese Scham …
    »Vier Wochen, Herr Professor … Ich, ich bin ein normaler Mensch …«
    »Sie träumen plastisch?«
    »Ja, Herr Professor.«
    »Und hinterher?«
    »Ich bin wie erschlagen.«
    »Danke, Herr Kaul. Guten Morgen.«
    In seinem Zimmer freute sich Prof. Brosius, dem Bericht Dr. Lindens eine neue Nuance zufügen zu können. Er schrieb:
    »Patient durch Alkoholmißbrauch in eine geistige libido sexualis geraten. Während der Entziehungskur dringend die Verabreichung triebhemmender Hormone empfohlen.«
    Am Nachmittag erlaubte Prof. Brosius den Besuch von Susanne Kaul.
    »Passen Sie auf!« sagte er zu Judo-Fritze. »Bei der geringsten Erregung entfernen Sie ihn.«
    Es war das alte Problem des Besuchstages, das hier angedeutet wurde. Oft genug hatte Brosius erlebt, daß die Männer beim Anblick ihrer Frauen sich die Hosen herunterrissen. Die Pfleger mußten dann mit Gewalt die Umsichschlagenden aus dem Besuchszimmer zerren und die Schreienden so lange unter die kalte Brause stecken, bis sie sich beruhigt hatten. Ein einziges Mal war es tödlich ausgegangen … einer der Tobenden griff mit beiden Händen zu, riß sich auf und entmannte sich. Er verblutete, bevor er noch im OP genäht werden konnte.
    Judo-Fritze gab die freudige Nachricht sofort weiter. Peter Kaul, er stand gerade am Fenster, umklammerte die weißgestrichenen Gitter. »Susanne kommt …«, sagte er leise. »Mit … mit den Kindern …?«
    »Ich nehme an.«
    Kaul strich sich über das Kinn. Seine Finger kratzten über Stoppeln. Es knirschte wie bei einem Reisigbesen.
    »Kannst du mich heute außer der Reihe rasieren?« fragte er kläglich. »Wie sehe ich denn aus?«
    Judo-Fritze lachte. »Setz dich hin. Ich mach' dir ein Gesicht wie 'n Kinderpopo!« Er drückte Kaul auf einen Stuhl und band ihm ein Handtuch um den Hals. »Du hast eine hübsche Frau?«
    »Ja.«
    »Hör mal. Als Elektriker kriegste doch alles billig. Zum Einkauf! Boiler, Elektroherd, Lampen …«
    »Ja, natürlich.«
    »Kann deine Frau in deinem Namen so was kaufen?«
    »Ja.« Kaul drehte den Kopf zu Judo-Fritze. »Ich weiß, was du willst. Wenn ich Susanne sage, sie soll für dein Haus die Sachen, die du brauchst, besorgen, dann tut sie das.«
    »Genau das wollte ich.« Judo-Fritze legte seine riesige Hand auf die Schulter Kauls. »Du das ist 'n Geschäft. Nachher, wenn deine Frau kommt, laß ich dich allein mit ihr. Fünfzehn Minuten … kommste damit aus?« Judo-Fritze grinste und stieß Kaul in den Rücken. »Und die Kinderchen nehme ich mit aus 'n Zimmer und zeige ihnen Bildchen … Na, ist der Fritze nicht ein guter Kamerad …?«
    Peter Kaul schwieg. So weit bin ich also, dachte er und hatte Lust, zu schreien und um sich zu schlagen. Man läßt meine Frau zu mir wie eine Nutte. Fünfzehn Minuten. Kommste damit aus …
    Er senkte den Kopf und weinte plötzlich.
    »Nana«, sagte Judo-Fritze väterlich. »Nu dreh nicht durch. Sind ja bloß noch vier Stunden. Die hältste auch noch aus …«
    Er ging zum Waschbecken und ließ heißes Wasser zum Rasieren einlaufen. Dabei pfiff er. Grün ist die Heide …
    Peter Kaul riß die Hände empor und preßte sie gegen die Ohren.
    Es war ein Festtag. Es war schöner als Ostern, feierlicher als Weihnachten, freudiger als Geburtstag, ergreifender als Zeugung. Es war ein Tag, mit keinem anderen vergleichbar.
    Susanne Kaul hatte die Kinder herausgeputzt wie zu einer Preisverteilung für das schönste, sauberste, kindlichste Kind. In vier Tagen hatte sie Nacht für Nacht an der Nähmaschine gesessen (eine japanische, halb so teuer wie die deutschen, auf vierundzwanzig Monatsraten, bezahlt bisher sechs Raten und vier Mahnungen für fällige Raten) und hatte für Heinz und Petra neue Kleider genäht. Petra bekam ein rotes Wollkleid mit weißem Piquekragen und weißen Armstulpen, sie sah darin wie eine Puppe aus, und ihre blonden Haare flossen über den roten Stoff wie Honigfäden.

Weitere Kostenlose Bücher