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Professor Bingos Schnupfpulver

Professor Bingos Schnupfpulver

Titel: Professor Bingos Schnupfpulver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Nachteile hatte.
    Vielleicht brauchte er kein Schnupfpulver mehr. Die Antwort darauf würde sich finden. Wenn er aber noch welches brauchte, würde er es schrecklich bald brauchen.
    Es hatte alles keinen Sinn, er mußte Professor Bingo anrufen und einen Termin vereinbaren.
    Er trat aus dem Hauseingang und ging auf dem Gehsteig, dicht an der Hauswand entlang, zur nächsten Kreuzung. Er kam an einer düster wirkenden Bar vorbei. Möglich, daß es drinnen eine versteckt gelegene Telefonzelle gab. Natürlich könnte sich sogar eine versteckt gelegene Telefonzelle als Mausefalle entpuppen. Angenommen, es kam jemand und sah, daß die Zelle scheinbar unbesetzt war, und ging hinein – nein, lieber gar nicht daran denken.
    Er betrat die Bar. Drinnen war nicht viel los. Zwei Männer saßen auf Hockern an der Bar, ein Mann und eine Frau hatten sich an einen Tisch in einer Ecknische verzogen. Um diese Tageszeit trank niemand Alkohol, ausgenommen einige Nichtstuer und Alkoholiker oder Pärchen, die eine verschwiegene Bar zum Rendezvous gewählt hatten.
    Die beiden in der Ecknische schienen genau das getan zu haben. Sie saßen fast aufeinander und waren mit sich selbst beschäftigt. Die Frau trug einen schaurigen Hut und eine schmuddelige weiße Lammfelljacke, wirkte schwabbelig und launisch. Der Mann hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Porter Green. Sein Gehabe ließ auf dieselbe skrupellose Zielstrebigkeit schließen.
    Joe Pettigrew blieb neben der Ecknische stehen und blickte voll Abneigung auf die beiden hinab: Vor dem Mann stand ein Glas mit Whisky und ein Glas Wasser, vor der Frau ein Cocktailglas mit einem ekelhaft aussehenden Gebräu, das aus mehreren verschiedenfarbigen Schichten zu bestehen schien. Joe Pettigrews Blick kehrte zum Whiskyglas zurück.
    Klug war es sicher nicht, was er tat, aber er hatte den Wunsch, es zu tun. Er langte schnell nach dem kleinen Glas und leerte seinen Inhalt auf einen Zug. Der Whisky schmeckte schauderhaft. Er mußte heftig husten. Der Mann am Tisch richtete sich auf und drehte den Kopf zur Seite. Er starrte Joe Pettigrew genau an.
    »Was zum Teufel –« sagte er laut.
    Joe Pettigrew stand da wie erstarrt. Er hielt das Glas noch in der Hand, und der Mann blickte ihm in die Augen. Dann wanderte der Blick des Mannes nach unten, hinunter zu dem leeren Glas, das Joe Pettigrew hielt. Der Mann stützte die Hände auf die Tischkante und begann zur Seite zu rutschen. Er sagte kein Wort mehr, aber Joe Pettigrew wußte auch so Bescheid. Er drehte sich um und rannte in den hinteren Teil des Raumes. Der Barkeeper und die beiden Gäste an der Bar hatten sich umgedreht und blickten herüber. Der Mann in der Nische stand gerade auf.
    Joe Pettigrew fand gerade noch im richtigen Moment, was er suchte. »H« stand auf der Tür. Schnell ging er hinein und drehte sich um. Die Tür hatte kein Schloß. Seine Hand griff verzweifelt nach der Dose in seiner Tasche, und er zog sie gerade heraus, als die Tür aufging. Er trat hinter sie, drehte den Deckel von der Dose und nahm eine ausgiebige Prise. Eine knappe Sekunde später stand der Mann aus der Nische bei ihm in der Herrentoilette.
    Joe Pettigrews Hand zitterte so stark, daß er die Hälfte des Schnupfpulvers auf den Boden verschüttete. Auch den Deckel der Dose ließ er fallen. Mit teuflischer Präzision rollte der Deckel schnurgerade über den gefliesten Boden und fiel Millimeter vor der Spitze des rechten Schuhs des Mannes aus der Nische um.
    Der Mann stand unmittelbar an der Tür und schaute sich um. Er gab sich dabei alle Mühe. Und er blickte Joe Pettigrew genau an. Nur war dieses Mal sein Gesichtsausdruck anders. Er blickte weg. Er ging hinüber zu den beiden Kabinen. Erst stieß er die eine Tür auf, dann die andere. Beide Kabinen waren leer. Der Mann stand da und schaute hinein. Ein seltsames Geräusch drang aus seiner Kehle. Anscheinend unbewußt griff er nach der Zigarettenpackung und steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen. Als nächstes brachte er ein kleines silbernes Feuerzeug zum Vorschein und zündete an der kleinen Flamme die Zigarette an.
    Der Mann blies den Rauch in einer langen Fahne aus. Langsam drehte er sich um und ging auf die Tür zu wie ein Schlafwandler. Er ging hinaus. Plötzlich flog die Tür auf, und er kam wieder hereingeschossen. Joe Pettigrew konnte im letzten Augenblick ausweichen. Wieder suchte der Mann mit den Blicken den Raum ab. Die Verblüffung des Mannes schien grenzenlos zu sein, dachte Joe Pettigrew. Seine

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