Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen
angestachelt, die Mündung seines Wasserschlauches auf den vorübergehenden Unrat zu richten. Solche Zwischenfälle ließen sich bei keinem Ausgang des Ehepaars Unrat mehr vermeiden. Sie schuldeten aller Welt, obwohl sie kreuz und quer mit Geld umherwarfen; und die Lieferanten, die ihnen Kredit nicht gewährt, sondern aufgedrängt hatten, machten den meisten Lärm. Es war die Regel, daß im voraus bezahlte Toiletten aus Paris eintrafen, und daß die im vorigen Monat gegessenen Frühstückssemmeln noch immer nicht ihnen gehörten. Dabei glaubte die Künstlerin Fröhlich zu sparen für ihr Kind, und Unrat für die Künstlerin Fröhlich zu rauben. Sooft der Gerichtsvollzieher kam – vergebens kam –, herrschten Bestürzung, Wut und Niedergeschlagenheit. Wie hätte man ihn schon wieder voraussehen sollen. Die Künstlerin Fröhlich fand sich längst nicht mehr zurecht in Rechnungen und Schuldscheinen. Unrats beständiger Trieb galt den Verlusten der andern und nicht der Pflege des eigenen Wohlstands. Von der Fäulnis, die sie ringsumher in den Verhältnissen anstifteten, schillerten auch ihre eigenen. Betrogen und ins Dickicht gehetzt, schwindelten sie sich durch, an der Hand der unbestimmten Hoffnung auf einen unwahrscheinlich großen Spielgewinn und auf das endliche Aussterben der Gläubiger. Sie spürten heimlich wohl den Boden wanken und richteten im Davongerissenwerden noch soviel Schaden an wie möglich.
In der Siebenbergstraße war eine Begegnung mit dem Möbelhändler auszuhalten, der behauptete, sie hätten von den noch nicht bezahlten Möbeln mehrere weiterverkauft, und mit dem Gericht drohte. Unrat forderte ihn giftig lächelnd auf, er möge doch nachsehn. Die Künstlerin Fröhlich äußerte: »Da machen Sie sich man weiter keine Hoffnung drauf. So klug sind wir allein, daß da nischt Gutes bei zu holen is.«
In diesem Augenblick geschah neben ihr ein Säbelklirren. Sie sah hin und rasch wieder weg. Eine Stimme sagte rauh: »Donnerwetter!«
Und eine andere, gelassen verwunderte: »Sieh mal an.«
Die Künstlerin Fröhlich hörte nicht mehr, was der Möbelhändler redete. Nach einer Weile ließ sie ihn stehen. Sie ging weiter in einer leichten Betäubung. Erst gegenüber dem Konditor Mumm fiel ihr auf, daß auch Unrat nichts mehr sagte. Sie fühlte etwas wie schlechtes Gewissen und fing harmlos zu sprechen an, im Drang, ihn nach dem, was sie soeben erblickt hatten, wieder zu versöhnen. Auch er war plötzlich von erregter Herzlichkeit und lud sie zum Konditor ein. Während er am Büfett bestellte, ging sie schon ins Nebenzimmer. Da ward an die Scheibe geklopft. Sie hütete sich hinzusehn; sie wußte auch so, das waren wieder Ertzum und Lohmann.
Noch am Abend war Unrat nicht beruhigt. Er schlich hastend zwischen den Gästen umher, machte Bemerkungen von trockner und wilder Ironie, wiederholte: »Ich bin ein rechter Unrat«, und erklärte: »Mir gehört hier – wahrlich doch – nichts weiter als ein Sofakissen und der Rahmen jenes Bildes dort.«
Als die Künstlerin Fröhlich einmal ins Schlafzimmer lief, folgte er ihr und verkündete: »Der Schüler Breetpoot wird nun endlich in naher Zukunft das Ziel der Klasse erreicht haben.«
»Kaputt?« fragte sie. »Is nich, Unratchen. Er is wieder ganz ausgestopft mit braunen Lappen.«
»Mag dem sein, wie du sagst. Der eifrigsten Vertiefung wert ist indessen die Frage: Woher kommen diese Lappen.«
»Na?«
Er kam näher, mit einem Lächeln, das geronnen und wie unter der Decke bebend aussah.
»Ich weiß es; ich habe seinen Kassierer bestochen. Es ist das von Ertzumsche Mündelgeld, welches der Vormund beraubt.« Und da er die Künstlerin Fröhlich starr vor Staunen sah: »Nicht wahr? Da lohnt sich’s zu leben? Das ist denn also der zweite der drei. Der Schüler Kieselack liegt zerschmettert am Erdboden. Der Schüler von Ertzum wird sogleich mit Rasseln zusammenbrechen. Da erübrigt denn nur noch der dritte.«
Sie ertrug seinen Blick nicht.
»Ja von wem redst du bloß?« fragte sie wirr.
»Der dritte ist ein noch zu Fassender. Er soll und muß gefaßt werden.«
»Wieso«, machte sie und blickte unsicher auf. Plötzlich, herausfordernd: »Ich denke, das is der, den du nich verknusen kannst, und ich soll ihn nich mal ansehn, wenn er die Straße lang kommt. Nich mal das kannst du verknusen.«
Er senkte den Kopf, atmete kämpfend.
»Zwar bin ich nicht gesonnen –«, sagte er dumpf. »Und doch muß –
muß
dieser Schüler gefaßt werden. Er ist ein zu
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