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Profit

Profit

Titel: Profit Kostenlos Bücher Online Lesen
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zu würdigen, trat an Lopez heran und bellte etwas auf Spanisch. Als er eine Antwort erhalten hatte, verschwand er in der Hütte hinter ihnen. Chris betrachtete das Wasser auf der anderen Seite der Mole und fragte sich, wie tief es war. Er würde einen guten halben Meter über dem Kopf brauchen, um vor Schüssen sicher zu sein. Die Smith and Wesson, die Lopez ihm geliehen hatte, bot offenbar Garantie, auch nass schießen zu können, aber gegen Sturmgewehre…
    Gesteh’s dir ein, Chris, du würdest keine fünf Minuten überstehen. Das hier ist kein Tony-Carpenter-Film.
    »Señor Faulkner?«
    Er fuhr herum, Richtung Boot. Eine weitere in Khaki gekleidete Person war zu der Frau aufs Vorderdeck getreten. Als auch dieser Mann auf die Mole sprang, hatte Chris die Stimme untergebracht. Es war Barranco.
    Es waren die gleichen verwitterten Gesichtszüge, die Chris vom HM-Zusammentreffen vor gut einem Jahr in Erinnerung hatte – ein von Sonne und Höhenluft gebräuntes Gesicht mit überraschend blauen Augen, die irgendein europäischer Kolonist vor Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten, in den Genpool geworfen hatte. Das gleiche kurz geschnittene ergrauende Haar, die gleiche Körpergröße und Länge der Gliedmaßen, als er jetzt auf ihn zukam. Der gleiche schwielige Händedruck, das gleiche Forschen in den Augen, wenn man vor ihm stand. Es war ein Blick, der auf die Kommandobrücke eines Kriegsschiffes aus dem letzten Jahrhundert gehörte, oder vielleicht auf das letzte der Piratenschiffe, von wo aus er den grauen Horizont nach irgendwelchen Zeichen absuchen könnte.
    »Señor Faulkner. Jetzt erinnere ich mich an Sie, von der Hammett McColl-Mission. Der Mann mit dem Notebook. Sie haben nicht viel gesagt damals.«
    »Ich war zum Zuhören gekommen.« Chris griff in seine Jacke. »Diesmal…«
    »Ganz vorsichtig, bitte.« Barranco hob die Hände. »Meine Kameraden sind ein bisschen nervös, weil sie so weit von zu Hause weg sind, und es wäre nicht gut, wenn sie glaubten würden, Sie wollten die sehr schlecht getarnte Waffe in Ihrem Gürtel benutzen.«
    Er deutete auf die Frau bei der Kuppel und auf den Decksmann beim Poller, der sich in diesem Moment mit einer Pistole in der Hand aufrichtete. Chris hörte das knackende Spannen eines Gewehrhahns, blickte zur Hütte zurück und sah den Mann von eben wieder heraustreten, die Kalaschnikow an der Hüfte haltend.
    »Also«, sagte Barranco. »Noch einmal willkommen in Lateinamerika.«
     
    Im Innern der Hütte fanden sich die nötigsten Einrichtungen – eine Toilette hinter einer Plastiktrennwand, ein winziger Ofen in einer Ecke und ein uralter, zwei Meter langer Holztisch, verschrammt vom jahrzehntelangen Gebrauch und versehen mit Graffiti, in denen sich das Wirken mehrerer Generationen zu spiegeln schien. Ein halbes Dutzend ebenfalls nicht mehr ganz taufrischer Plastikstühle war um den Tisch versammelt – Chris’ Auswahl aus dem wüsten Stapel, den sie bei ihrer Ankunft hinter der Hütte gefunden hatten. Es entsprach zweifellos nicht dem üblichen Shorn-Konferenzstandard. Die Fenster waren klein und schön schmierig, aber immerhin hingen Birnen aus einem Aqualicht-System in Abständen von der Decke, und der lange Verbindungsdocht, der durch ein grob gebohrtes Loch in den Bodenbrettern bis hinunter ins Wasser unter dem Pfahlwerk baumelte, war noch intakt. Chris hatte das System vorher getestet, und der Docht war gut durchnässt. Jetzt legte er den Wandschalter um, worauf ein sanftes Licht in drei der fünf Birnen erstrahlte.
    Barranco blickte sich in der Hütte um und nickte.
    »Tja, das Panama Hilton ist es nicht, aber andererseits bin ich wohl auch nicht Luis Montoya.«
    Eine Reaktion irgendwelcher Art schien angezeigt. Chris probierte es mit einem Glucksen und deutete zum Tisch. »Bitte, setzen Sie sich doch, Señor Barranco. Ich fürchte, wir haben uns bisher eher mit Sicherheitsproblemen als mit Fragen des Komforts befasst. Abgesehen von ein paar wenigen irregeführten Drogenbekämpfungshardlinern hat Luis Montoya keine echten Feinde auf dem amerikanischen Kontinent. Sie haben unglücklicherweise eine ganze Menge.«
    »Ein Problem, das Sie für mich lösen wollen, ja?« Barranco setzte sich nicht hin. Stattdessen nickte er seinen Sicherheitsleuten zu, von denen ihm zwei in die Hütte gefolgt waren. Wortlos stellten sie sich neben die Fenster und nahmen eine entspannte Haltung ein, die aber niemanden täuschen konnte. Keiner von ihnen hatte mehr als einen flüchtigen Blick

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