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Profit

Profit

Titel: Profit Kostenlos Bücher Online Lesen
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Feuerzeug?«, gestikulierte er. »Militärausgabe, richtig?«
    »Falsch.« Barranco hielt das Feuerzeug noch einmal hoch, rieb mit einem Finger über die kyrillische Schrift. »Werbung. Da steht Todeszigaretten – schade, dass Sie sterben werden. Das ist aber ein, wie sagen Sie auf Englisch, ein Knock-out? Eine illegale Kopie?«
    »Knock-off.«
    »Ja, ein Knock-off. Irgendein verrückter Engländer Ende des letzten Jahrhunderts, der hat tatsächlich Zigaretten unter diesem Namen produziert.«
    »Klingt nicht übermäßig schlau.«
    Barranco drehte sich um und blies ihm Rauch entgegen. »Wenigstens war er ehrlich.«
    Chris ließ das so stehen. Barranco schritt die Breite der Mole ab, rauchte, wartete auf seine Reaktion.
    »Ich denke, Sie sollten nach London kommen, Señor Barranco. Sie brauchen…«
    »Leben Ihre Eltern noch, Señor Faulkner?«
    Der Stich ging mitten durch ihn hindurch, durchlöcherte das sich langsam aufblasende Gefühl, dass der Deal so gut wie abgeschlossen sei.
    »Nein.«
    »Haben Sie Erinnerungen an sie?«
    Er warf einen raschen Blick in das Gesicht des Mannes neben ihm und wusste, dass das hier nicht verhandlungsfähig war. Das hier war Pflichtprogramm. »An meinen Vater kaum. Meine Mutter starb später, als ich im Teenageralter war. An Stechfieber.«
    Barranco kniff die Augen zusammen. »Was ist das? Stechfieber?«
    Chris rauchte erst einmal eine Weile, sein Gedächtnis auf undichte Stellen prüfend, bevor er antwortete. Seiner Ansicht nach hatte er das alles weggeschlossen.
    »Es ist eine Tbc-Variante. Rührt von der Resistenz gegen Antibiotika her. Wir lebten in den Zonen, bei Ihnen würde man Favelas sagen, und dort kommt das häufig vor. Sie konnte sich die teuren Medikamente nicht leisten, das kann dort keiner, also hat sie einfach die normalen Antibiotika genommen, bis sie zusammengebrochen ist. Man war sich nicht sicher, woran sie letzten Endes genau gestorben ist, am Stechfieber oder irgendwas anderem, mit dem ihr Immunsystem nicht mehr fertig werden konnte. Es dauerte…«
    Er hatte es doch nicht weggeschlossen. Er sah weg.
    »Tut mir Leid«, sagte Barranco.
    Chris schluckte. »Danke, ist schon gut. Das ist lange her.«
    Er sog wieder an der Zigarette, verzog plötzlich das Gesicht und schleuderte sie hinaus ins Wasser. Er drückte mit dem Zeigefinger erst aufs eine, dann aufs andere Auge und betrachtete die dünnen Feuchtigkeitsrückstände auf der Fingerkuppe.
    »Meine Mutter wurde abgeholt«, sagte Barranco von hinten. »In der Nacht, von Soldaten. Das war übliche Praxis zu der Zeit. Ich war auch grade im Teenageralter. Mein Vater hatte uns schon vor langer Zeit verlassen, und ich war unterwegs, bei einer politischen Versammlung. Vielleicht war ich es, hinter dem sie her waren. Aber stattdessen haben sie dann sie mitgenommen.«
    Chris kannte die Geschichte. Er hatte die Akte gelesen.
    »Sie haben sie vergewaltigt. Echevarrias Männer. Sie wurde tagelang gefoltert, mit Strom und einer zerbrochenen Flasche. Und dann haben sie ihr ins Gesicht geschossen und sie auf irgendeiner Müllhalde am Stadtrand verrecken lassen. Ein Arzt aus La Amnesia hat mir erzählt, dass sie dafür wohl noch ungefähr zwei Stunden gebraucht hat.«
    Chris hätte gern gesagt, dass es ihm Leid tue, aber die Wendung schien untauglich, jedes sinnvollen Gehalts beraubt.
    »Verstehen Sie, warum ich kämpfe, Señor Faulkner? Warum ich die letzten zwanzig Jahre gekämpft habe?«
    Chris schüttelte wortlos den Kopf. Er wandte sich Barranco zu und stellte fest, dass der Mann nicht mehr Bewegung zeigte als vorhin, als sie über Zigaretten gesprochen hatten.
    »Das verstehen Sie nicht, Señor Faulkner?« Barranco zuckte die Achseln. »Nun, ich kann’s Ihnen nicht verübeln. Manchmal versteh ich’s selber nicht. Es gibt Tage, da kommt es mir sinnvoller vor, die Kalaschnikow zu nehmen, in irgendeine Polizeiwache oder Kaserne zu spazieren und alles abzuknallen, was eine Uniform trägt. Aber ich weiß, dass hinter diesen Männern andere stehen, die keine Uniformen tragen, also ändere ich meinen Plan und denke darüber nach, das Gleiche mit einem Regierungsgebäude zu machen. Aber dann fällt mir ein, dass diese Leute ihrerseits nur Strohmänner sind für eine ganze Klasse von Großgrundbesitzern und Finanziers, die sich als meine Landsleute bezeichnen. Mir dreht sich der Kopf bei all diesen Zielscheiben.« Barranco gestikulierte. »Banken. Haziendas. Bewachte Vorstädte. Die Zahl der potenziellen Opfer wächst wie ein

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