Profit
im Januar? Waren die etwa auch Abschaum?«
»Das…«
»Und die Leute in dem Cafe in Medellin?« Ihre Stimme wurde wieder lauter. »Die Leute, die du in der Kambodscha-Ausscheidung getötet hast. Isaac Murcheson, von dessen Tod du ein Jahr lang jede Nacht geträumt hast. Und du hast die gottverdammte Stirn, mir zu erzählen, die Ombudsmänner seien gefährlich?«
Er hob die Hände. »Das hab ich nicht gesagt.«
»Du wolltest es gerade.«
»Woher willst du wissen, was ich sagen wollte«, wand er sich. »Ich wollte sagen, dass diese Leute, äh, das sind Verlierer, Carla, die sich gegen die Entwicklung stellen, gegen die Globalisierung, gegen den Fortschritt, um Gottes willen.«
»Ist das Fortschritt?«, fragte sie, plötzlich ganz ruhig. »Balkanisierung und Gemetzel in der Welt draußen und der freie Markt, der sich über die Knochen hermacht, eine Wirtschaft, die einen Großteil der Menschen an der Armutsgrenze leben lässt, und Gladiatorenkämpfe auf den Straßen zu Hause. Das soll Fortschritt sein?«
»Du redest wie dein Vater.«
»Nein, verdammt noch mal, Chris, ich rede wie ich. Glaubst du, ich hätte keine eigene Meinung? Glaubst du, ich hätte keine Augen im Kopf und könnte nicht selber sehen, was los ist? Glaubst du, ich würde die Folgen nicht in meinem eigenen Leben spüren?«
»Du brauchst nicht…«
»Weißt du, in Norwegen, wenn ich da erzähle, wo ich lebe, wo ich freiwillig lebe, dann schauen mich die Leute an, als sei ich moralisch behindert. Und wenn ich dann noch erzähle, womit mein Mann seinen Lebensunterhalt verdient…«
»O ja, natürlich.« Er rückte von ihr weg, so weit das im eng umgrenzten Innern des Wagens möglich war. Draußen neben seinem Fenster fegte der Wind über die Böschung, drückte das lange Gras platt. »Jetzt geht das wieder los.«
»Chris, hör mir zu.« Eine Hand auf seiner Schulter. Er schüttelte sie wütend ab.
»Du musst mal für eine Weile außerhalb stehen. Das hab ich gemacht, als ich in Tromsö war. Du musst das Ganze von draußen betrachten, um es zu begreifen. Du bist ein bezahlter Killer, Chris. Ein Auftragsmörder, ein Diktator im Grunde genommen.«
»Oh, also wirklich…«
»Echevarria, stimmt’s? Du hast mir von Echevarria erzählt.«
»Was ist mit ihm?«
»Du redest über ihn, als würdest du ihn hassen. Als sei er ein Ungeheuer.«
»Das ist er wohl auch, Carla.«
»Und wo liegt der Unterschied zwischen euch beiden? Jede Gräueltat, die er begeht, wird von dir abgesegnet. Du hast mir von der Folter erzählt, den Menschen in den Polizeizellen und den Leichen auf den Müllhalden. Du hast die Leute dort hingebracht, Chris. Du hättest die Elektroden genauso gut auch selber anlegen können.«
»Das ist nicht fair. Echevarria gehört mir nicht.«
»Gehört dir nicht?«
»Ich bin nicht dafür zuständig, Carla. Ich treffe keine Entscheidungen in dieser Sache. Tatsächlich…«
»Ach, und Kambodscha ist anders? Da triffst du Entscheidungen, du hast es mir selber gesagt, und ich habe die Berichte gelesen, als ich unterwegs war, Chris. Die unabhängige Presse mal zur Abwechslung. Dort heißt es, dieser Khieu Sary wird genauso übel werden wie damals die Khmer Rouge.«
»Das ist Blödsinn. Khieu ist Pragmatiker. Er ist ein fähiger Mann, und selbst wenn er außer Kontrolle gerät, können wir…«
»Außer Kontrolle? Was heißt das, außer Kontrolle? Du meinst, wenn die Verluste an Menschenleben in die Zehntausende gehen? Wenn kein Platz mehr da ist, sie heimlich zu verscharren? Denk um Gottes willen mal nach, was du redest, Chris.«
Er wandte sich ihr wieder zu. »Ich habe die Welt nicht so gemacht, wie sie ist, Carla. Ich versuche nur, in ihr zu leben.«
»Wir müssen nicht auf diese Weise darin leben.«
»Nein? Du möchtest lieber in den Scheißzonen leben, ja?« Er streckte die Hand aus und packte die Lederjacke, die sie anhatte. »Glaubst du, man trägt solche Klamotten in den Zonen? Glaubst du, du kannst, wenn du in den Zonen lebst, mal eben nach Skandinavien rüberjetten, wenn dir danach ist?«
»Ich bin nicht…«
»Möchtest du mit vierzig schon eine alte Frau sein?« Der scharfe Hohn in seiner Stimme ließ sie zusammenzucken. Er war dabei, die Beherrschung zu verlieren, Tränen brannten ihm in den Augen. »Ist es das, was du willst, Carla? Fett werden von dem Scheiß, den sie in die Nahrungsmittel stopfen, Diabetes kriegen von dem Zucker, der überall drin ist, Allergien von all den Zusatzstoffen, und dann kein Geld haben für
Weitere Kostenlose Bücher