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Profit

Profit

Titel: Profit Kostenlos Bücher Online Lesen
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dazu.

 
VIERUNDZWANZIG
     
     
    Er erwachte im standardisierten Luxus des Sheraton von dem sanft, aber hartnäckig pulsierenden Eingangssignal seines Notebooks. Er wälzte sich einmal herum und blickte verschlafen durchs Zimmer. Ortete das Scheißding, da auf dem Teppichboden, zwischen seinen einfach fallen gelassenen Kleidungsstücken. Bliiie, bliiie, scheißbliiie. Stöhnend griff er danach, halb aus dem Bett gelehnt, sich mit einer Hand auf dem Fußboden abstützend. Er packte das Gerät, zog es ins Bett und setzte sich auf, um es im Schoß aufzuklappen. Mike Bryants aufgezeichnetes Gesicht grinste ihm entgegen.
    »Guten Morgen. Wenn ich das hier richtig getimt habe, dann hast du schätzungsweise drei Stunden bis zu deinem Abflug, daher gebe ich dir ein bisschen was zum Nachdenken, um die Wartezeit zu verkürzen. Du steckst in der Klemme, mein Lieber. Und diesmal bist du dran!«
    Noch reichlich angeschlagen vom Spezialservice des Schönheitschirurgen, fühlte Chris, wie ihm der Schreck träge durch die Glieder fuhr. Dann verschwand Bryants Gesicht, und ein stilisiertes Schachbrett nahm seinen Platz ein. Mike hatte, während er schlief, einen unerwarteten Turm-und-Springer-Angriff ins Werk gesetzt. Es sah übel aus.
    »Du Scheißkerl.«
    Er stand auf und schlurfte durchs Zimmer, um zu packen. Beim Frühstücken reagierte er, immer noch unter der Wirkung des Schlafmittels stehend, ziemlich unbesonnen auf Mikes Gambit und verlor einen Läufer. Bryant schien in Echtzeit zu spielen. Stinksauer über den Verlust, fuhr er zum Flughafen, setzte sich in die Lounge und sammelte die Scherben auf. Es war Samstag, und Mike wäre gut beraten gewesen, das Spiel übers Wochenende ruhen zu lassen. Er hätte die freien Tage nutzen können, um die Stellung in Ruhe zu analysieren und Chris dann nach Belieben auseinander zu nehmen, aber Chris kannte ihn besser. Bryant war vom Vorgefühl des Sieges befeuert und würde jetzt beim Echtzeitspiel bleiben. Betrachten, in sich aufnehmen, reagieren, die ganze Nacht durch, wenn nötig. Chris hatte ihm vor ein paar Monaten Rachimows Schnellschach und das Angriffsmomentum geliehen, und der Hüne hatte es verschlungen. Er war bereit und begierig, den Todesstoß zu führen.
    Irgendwo über der Karibik wehrte Chris die Attacke ab. Zwar kostete es ihn seinen einzigen verbliebenen Springer, und seine sorgsam aufgebaute Verteidigung lag in Trümmern, aber Mikes Angriffsschwung war dahin. Die Folge der Züge und Gegenzüge wurde langsamer. Über dem Atlantik blieb Chris zäh und beharrlich am Ball, und als das Flugzeug in Madrid landete, hatte er Bryant ein glückliches Remis abgerungen. Mike schickte ihm daraufhin als Attachment einen Tony-Carpenter-Filmausschnitt – die Situation nach dem Showdown in Der Betrüger. Carpenters legendäre schauspielerische Nichtbegabung, Dialoge, die unter der Last der Klischees ächzten. Du und ich, wir sind uns ebenbürtig. Wir sollten auf derselben Seite kämpfen. Es war so schlecht, dass es praktisch schon wieder hip war.
    Grinsend faltete Chris das Notebook zusammen.
    Mit federndem Schritt verließ er das Flugzeug, gönnte sich Sauna und Dusche in der Erste-Klasse-Lounge, während er auf den Anschlussflug wartete, und schlief auf dem Weg nach London einen ganz natürlichen Schlaf. Er träumte von Liz Linshaw.
    In der Ankunftshalle in Heathrow, an der Absperrung lehnend, geschminkt und in eng anliegende Sachen gekleidet, wartete Carla.
     
    »Nein, es ist nur… Es wäre nicht nötig gewesen. Ich war doch auf Dienstreise. Shorn hätte für ein Taxi ganz bis nach Hause bezahlt.«
    »Ich wollte dich sehen.«
    Und warum bist du dann nach Tromsö gefahren, verdammt? Er biss sich auf die Zunge und widmete sich der gewundenen Aussicht der vor ihnen liegenden Straße. Am Samstagmorgen herrschte kaum Verkehr auf dem Ring, und Carla hielt den Saab mit der professionellen Selbstsicherheit einer Automechanikerin bei hundertfünfzig Stundenkilometern auf der Mittelspur.
    »Wie geht’s deiner Mutter?«
    »Gut. Sehr beschäftigt. Die wollen eine interaktive Version ihres neuen Buches rausbringen, deshalb musste sie einiges umschreiben, hat jede Menge GoTo-Abschnitte mit einem Datenfreak von der Uni ausgearbeitet.«
    »Vögelt sie ihn?« Es kam irgendwie nicht gut raus. Zu schrill, zu viel Stille rundherum. Es hatte Zeiten gegeben, wo solche Lästereien über Kirstis Sexualleben durchgegangen waren und Carla mit gespielter Empörung darüber gelacht hatte. Doch jetzt warf sie

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