Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Profit

Profit

Titel: Profit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
sein Leben würde kämpfen müssen, bevor er diesen Anruf tätigen konnte.
    Alles, was dahinter zurückblieb, würde ihm ewig anhängen.
    Er hatte Ärger erwartet, aber da war nichts, was diese Bezeichnung verdiente.
    Eine Weile lang ging er durch anonyme, unzureichend beleuchtete Wohnsiedlungen, traf ein- oder zweimal auf größere Durchgangsstraßen, wo er sich mit Hilfe zerschrammter und verbeulter Hinweisschilder zu orientieren suchte, bevor er weiterzog, immer in die Richtung, die seinem Gefühl nach Osten war. In vielen Fenstern war das Flackern und Strahlen von Fernsehapparaten zu sehen, der Lärm von Gameshows drang durch die billige Verglasung. Hin und wieder bewegten sich Gestalten durch die Zimmer. Draußen sah er Kinder im Halbdunkel der Hauswände, Zigaretten, Zweiliterplastikflaschen und selbst gemachte primitive Lösungsmittelpfeifen miteinander teilend. Die erste Gruppe, an der er vorbeikam, bemerkte seine Kleidung und kam johlend hinter ihm her. Er zog die Nemex und sah ihnen in die Augen, worauf sie sich maulend zurückzogen. Er behielt die Waffe jetzt da, wo man sie sehen konnte, und fortan wurde er nur noch düster abschätzend beobachtet und bekam halblaut ausgestoßene Verwünschungen hinterhergeschickt.
    Schließlich stieß er auf eine Hauptstraße, die geradewegs nach Osten zu verlaufen schien. Zwischen den Gebäuden zur Linken glaubte er den geschwungenen Verlauf der von Norden einmündenden M40 ausmachen zu können, was vermuten ließ, dass er sich in der Nähe von Ealing befand. Oder Greenford, es sei denn, er hätte falsch abgeschätzt, wie weit draußen Carla ihn ausgesetzt hatte. Vielleicht war es Alperton. Oder…
    Oder du hast dich verirrt, Chris.
    Scheiße, du kennst diesen Teil der Stadt einfach nicht, also hör auf, so zu tun als ob. Lauf einfach weiter. Bald muss die Sonne aufgehen, und dann wirst du verdammt genau wissen, ob du Richtung Osten unterwegs bist oder nicht.
    Immer weitergehen. War auf jeden Fall besser, als nachzudenken.
    Er bemerkte erste Anzeichen von Nachtleben. Clubs und Spielhallen in Abständen entlang der Straße, unterschiedlich stark besucht. Schnellimbissläden, die meisten kaum mehr als mit grellem Neon übersäte Alkoven zwischen dem Backsteinmauerwerk. Der leichte Gestank von billigem Fleisch und schalem Alkohol, hier und da verschnitten mit dem scharfen Hauch von Erbrochenem. Kleine Ansammlungen von Menschen auf der Straße, essend und trinkend, einander zurufend. Ihm nachstarrend, wenn er vorbeikam.
    Da war nichts zu machen. Er beschleunigte seinen Schritt, hielt die Nemex gesenkt, aber gut sichtbar. Blieb immer in der Mitte der Straße.
    Theoretisch hätte er versuchen können, ein Taxi zu rufen. Er hatte jetzt Anhaltspunkte, identifizierbare Clubfassaden und - sofern er angestrengt genug hinschaute bei der Beleuchtung – Straßenschilder. Praktisch aber war es vermutlich reine Zeitverschwendung. Die Taxifirmen, deren Nummer sein Handy gespeichert hatte, kamen in der Regel nicht mehr als ein paar hundert Meter weit auf die falsche Seite der Absperrungen, zumal zu dieser nächtlichen Stunde. Und die wenigen, die dazu bereit waren, befleißigten sich mit Vorliebe einer esoterischen Fahrermythologie darüber, welche Straßen es denn genau seien, die man sicher ansteuern könne. Erwischte man die falsche Konfiguration in diesem Tarotspiel der Zonencodes, konnte man leicht die ganze Nacht warten. Wenn sie einen Straßennamen hörten, der ihnen nicht gefiel – oder, noch besser, wirres Zeug nach dem Motto: Kommense zur Ecke Soundso-Schmier-Straße, zu dem Club da, keine Ahnung, wie der heißt, aber vorne drauf ist da so ’n rosa Neonkaninchen mit Titten und Zylinder –, glucksten gewisse Fahrer nur grimmig, ignorierten die Dienstanweisungen und schrieben das Geld für die Fahrt in den Wind. Es gab einfach nicht genug Zonenkundschaft, um daran etwas zu ändern. Wer die Zonen besuchte, fuhr mit dem eigenen Auto. Oder ging zu Fuß nach Hause.
    Er begegnete Blicken, machte keinen Versuch, ihnen auszuweichen. Er erinnerte sich an Mikes Verhalten bei ihren diversen Ausflügen in die Zonen und imitierte es.
    Sei, wer du bist, und wenn es ihnen nicht gefällt, können sie dich mal.
    Die Pistole war eine Hilfe.
    Niemand mochte sich mehr herausnehmen als eine gekräuselte Lippe. Niemand kam ihm nahe. Niemand sagte etwas.
    Vor einem der Clubs sorgten zwei Crackhuren für das Ende seiner Glückssträhne. Sie registrierten seine Kleidung und stolperten quer über die

Weitere Kostenlose Bücher