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Profit

Profit

Titel: Profit Kostenlos Bücher Online Lesen
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Krüppel schießen, der uns Schwierigkeiten machen sollte.«
    »Ach, du meine Fresse.«
    Sie verließen die gewundene Straße und bogen nach links, vorbei an verfallenen Flachbauten und mit Stahlläden geschützten Fassaden. Die üblichen Graffiti grinsten von den Häuserwänden herunter, zusammenhangloses, tribalistisches Wüten und abstrakte Zeichen, gestrecktes Purpurrot mit weißen Schädeln allem Anschein nach. Carla starrte geradeaus, die Lippen verkniffen. Chris spürte, wie seine abgeklärte Stimmung nach dem Kampfeinsatz an den Rändern Feuer fing.
    »He, vielleicht wär’s dir lieber gewesen, er hätte sie totgeprügelt, während wir dasitzen und zuhören. Gutes Training für meine Zukunft als Ombudsmann. Beobachten, Notizen machen, aber sich ums Verrecken niemals einmischen.«
    Keine Reaktion.
    »Dein Vater haust Tag für Tag in direkter Nachbarschaft zu dieser Scheiße, Carla. Und was tut er? Nichts. Schlimmer noch als nichts. Er schüttelt bloß den Kopf, schreibt seine ohnmächtigen sozialkritischen Kommentare und gibt sie Leuten zu lesen, die die Realität dessen, wovon er schreibt, niemals ermessen werden, und auch die schütteln dann den Kopf und tun nichts. Und nebenan schlägt der Typ weiter fröhlich seine Frau zu Brei.«
    »Mein Vater ist ein Mann von über sechzig. Hast du die Muskeln von diesem Scheißkerl gesehen?«
    »Yeah. Deswegen hab ich ja auf ihn geschossen.«
    »Das ist keine Lösung!«
    »Ach, ich weiß nicht – er schien danach ein bisschen zurückhaltender.«
    »Und was ist, wenn er sich erholt, Chris? Wenn er wieder auf den Beinen ist und doppelt so wütend wie vorher?«
    »Du meinst, ich hätte ihn töten sollen?«
    »Das ist verdammt noch mal nicht komisch!«
    Chris drehte sich zu ihr. »Nein, da hast du Recht, Carla. Es ist nicht komisch, es ist krank. Du willst mich, aus irgendeinem verqueren Gefühl moralischer Empörung heraus, dazu bringen, dass ich meinen Job bei Shorn hinschmeiße und für Leute wie Vasvik arbeite. Und du hast ja gesehen, wie engagiert er da vorhin war. Wie bereit die Scheißombudsmänner sind, moralische Stellung zu beziehen, wenn sich vor ihrer Nase Unrecht ereignet.«
    »Dafür war er nicht gekommen, Chris.«
    »Ich auch nicht, Carla. Aber ich habe etwas dagegen getan. Genau wie ich auch etwas in der NAME tun werde. Herrgott, ihr glaubt, ihr könnt so durchs Leben gehen mit euren hehren Idealen, Notizen machen und auf irgendeinen bescheuerten UN-Richter vertrauen, der dafür sorgen soll, dass alle nett zueinander sind. Ihr glaubt…«
    Der Landrover lehnte sich jählings in seine Radaufhängung. Die Straße wurde aus dem Scheinwerferlicht gerissen und von der Kreuzschraffierung eines leeren Parkplatzes ersetzt. Ein aufgegebener Supermarkt ragte vor ihnen aus dem Dunkel, die Fenster zur Hälfte eingeworfen, zur Hälfte mit Brettern vernagelt. Auf dem Dach hatte man offenbar in besseren Zeiten ein weißes Stahlrohrrentier befestigt, das sich den zu erwartenden Kunden grüßend zuwandte. Undefinierbare, ineinander verhakte Trümmerstücke, die dereinst womöglich Teil eines Schlittens gewesen waren, hingen vom Hinterteil des Tiers herab bis hin zur durchgesackten Dachrinne. Einen bizarren Moment lang kehrte sich das Bild für Chris um, und er sah eine amorphe Kreatur mit Tentakeln, die das Rentier in die Tiefe ziehen wollte.
    Carla brachte das Auto mitten auf dem Parkplatz zum Stehen.
    Für einen Moment saßen sie beide da und starrten auf die Fassade des Supermarkts. Dann drehte sie sich zu ihm.
    »Was ist mit dir passiert, Chris?«, flüsterte sie.
    »Oh, also wirklich, Carla…«
    »Ich…« Sie fuchtelte krampfartig mit den Händen. »Ich erkenne… dich… nicht mehr wieder. Ich weiß nicht mehr, wer du bist. Wer, zum Teufel, bist du, Chris?«
    »Sei nicht albern.«
    »Nein, das ist mein Ernst. Du bist die ganze Zeit nur noch wütend, stinkwütend, und jetzt trägst du diese Waffe mit dir rum. Als du bei Shorn angefangen hast, hast du mir von den Waffen erzählt, und du hast darüber gelacht. Erinnerst du dich noch? Du hast dich über den ganzen Laden lustig gemacht, genau wie früher, als du noch bei HM warst. Jetzt lachst du fast gar nicht mehr. Ich weiß nicht mehr, wie ich mit dir reden soll, weil ich jedes Mal Angst habe, dass du gleich wieder ausrastest und anfängst mich anzuschreien.«
    »Rede nur so weiter«, sagte er grimmig, »dann werde ich, na, wer sagt’s denn, wahrscheinlich ausrasten und anfangen dich anzuschreien. Und zweifellos

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